“reformatio in peius” neu definiert

Das Bundesgericht definiert das Verbot der reformatio in peius nach Art. 391 Abs. 2 StPO in einem zur Publikation in der AS vorgesehenen Urteil (BGE 6B_712/2012 vom 26.09.2013). Die Strafrechtliche Abteilung übernimmt die durch ihren Präsidenten vertretene Auffassung,  wonach auch eine schärfere rechtliche Qualifikation der Tat untersagt sei. Nach einer anderen Auffassung, die ebenfalls von einem Mitglied derselben Abteilung (und des Spruchkörpers) vertreten wird, ist nur eine Verschärfung der Sanktion unzulässig (vgl. dazu die in E. 2.3.2 zitierten Literaturstellen).

Das Bundesgericht geht vom Wortlaut der Bestimmung aus und sucht dann anhand der anderen Auslegungsmethoden nach deren Tragweite (E. 2.4.1 ff.). Es kommt zum Ergebnis, dass eine härtere rechtliche Qualifikation der Tat verboten ist und dass dafür massgebend allein das Dispositiv sei. Im Rahmen der Strafzumessung dürfe aber die an sich verbotene härtere Qualifikation berücksichtigt werden. Das heisst dann wohl aber nur, dass die Sanktion nicht reduziert werden muss. Vielleicht verstehe ich den Entscheid ja nicht richtig, aber so wie ich ihn lese hat nun im Ergebnis doch die unterlegene Lehrmeinung obsiegt.

Hier die entscheidenden Erwägungen:

Eine Verletzung des Verschlechterungsverbots liegt entsprechend dem gesetzgeberischen Willen daher nicht nur bei einer Verschärfung der Sanktion, sondern auch bei einer härteren rechtlichen Qualifikation der Tat vor. Dies ist der Fall, wenn der neue Straftatbestand eine höhere Strafdrohung (Ziegler, a.a.O., N. 3 zu Art. 391 StPO; a.M. Calame, a.a.O., N. 8 und 9 zu Art. 391 StPO, wonach mit dem neuen Schuldspruch auch eine Verschärfung der früheren Qualifikation als Übertretung bzw. als Vergehen einhergehen muss) vorsieht, d.h. einen höheren oberen Strafrahmen oder eine (höhere) Mindeststrafe, sowie bei zusätzlichen Schuldsprüchen. Gleich verhält es sich, wenn der Verurteilte im Berufungsverfahren für die vollendete Tat statt wegen Versuchs (Mathys, a.a.O., S. 141; Calame, a.a.O., N. 8 zu Art. 391 StPO) oder als Mittäter anstatt als Gehilfe verurteilt wird, da ein fakultativer bzw. obligatorischer Strafmilderungsgrund wegfällt. Ob dies auch für die Teilnahmeform der Anstiftung oder andere Strafmilderungsgründe gilt, braucht an dieser Stelle nicht beantwortet zu werden.

 2.6. Massgeblich für die Frage, ob eine unzulässige reformatio in peius vorliegt, ist das Dispositiv (Urteil 6B_199/2011 vom 10. April 2012 E. 8.3.2). Der Rechtsmittelinstanz ist es hingegen nicht untersagt, sich in ihren Erwägungen zur rechtlichen Qualifikation zu äussern, wenn das erstinstanzliche Gericht von einer abweichenden Sachverhaltswürdigung oder falschen rechtlichen Überlegungen ausging (vgl. Calame, a.a.O., N. 9 zu Art. 391 StPO; Wehrle, a.a.O., S. 624 f.). Entscheidend ist, dass sich dies im Dispositiv nicht in einem schärferen Schuldspruch niederschlägt und auch nicht zu einer härteren Strafe führt, wenn ausschliesslich die beschuldigte oder verurteilte Person ein Rechtsmittel ergriff.
2.7. Nicht zu beanstanden ist unter dem Gesichtspunkt des Verschlechterungsverbots, wenn die Vorinstanz in ihren Erwägungen darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer ihrer Auffassung nach am Einbruchdiebstahl vom 21. Mai 2009 in Konolfingen direkt beteiligt war (Urteil S. 45). Sie konnte diesem Umstand bei der beantragten Reduktion des Strafmasses Rechnung tragen. Dies durfte sich aber nicht auf den Schuldspruch auswirken, da der Beschwerdeführer in diesem Punkt erstinstanzlich wegen blosser Gehilfenschaft verurteilt wurde und die Staatsanwaltschaft weder Berufung noch Anschlussberufung erhob. Indem die Vorinstanz es bezüglich des Einbruchdiebstahls vom 21. Mai 2009 nicht bei der Verurteilung wegen Gehilfenschaft zu Diebstahl belässt, sondern den Beschwerdeführer wegen Diebstahls schuldig spricht, verletzt sie Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO. Die Rüge des Beschwerdeführers ist begründet.