Replikrecht
Viele Gerichte halten es für zielführend, die Parteien jeweils nicht auf ihr Replikrecht hinzuweisen oder ihnen gar Fristen dafür anzusetzen. Damit stellt sich die Frage, wie lange das Gericht denn mit einer möglichen Replik rechnen muss. Das weiss natürlich niemand so genau, aber man wird in der Regel von zehn Tagen ausgehen dürfen, welche der berechtigten Partei zur Verfügung stehen. Zehn Tage waren dem Obergericht BE aber zu lang, weshalb das Bundesgericht korrigieren muss (BGer 1B_376/2020 vom 11.09.2020):
In der Beschwerde ans Bundesgericht wird vorgebracht, die Vorinstanz habe die Stellungnahme dem Beschwerdeführer am 9. und am 11. Juni 2020 zugestellt. Der angefochtene Entscheid des Obergerichts erging am 16. Juni 2020. Es spielt keine Rolle, ob von einer Kenntnisnahme bereits am 9. Juni 2020 ausgegangen werden kann. Selbst wenn das zuletzt genannte Datum als massgeblich betrachtet würde, hätte das Obergericht seinen Beschluss sieben Tage nach dem Eintreffen der Stellungnahme bzw. ihrer Kenntnisnahme durch den Betroffenen gefällt. Diese Zeitspanne ist im Sinne der dargelegten Rechtsprechung (vgl. oben E. 2.2) zu kurz, um einen Verzicht auf das Replikrecht annehmen zu dürfen. (E. 2.3).
Hier geht es um die Abweisung eines Ausstandsgesuchs gegen einen Richter, das “verspätet” eingereicht worden sein soll. Wo es um den Schutz des Justizpersonals geht, kommen einfallsreiche Techniken zum Zug. So z.B. bei Ergänzungen zu einer Strafanzeige, etwa wegen Amtsmissbrauch gegen einen Staatsanwalt. Diese werden insofern ignoriert, als eine um just zwei drei Tage vordatierte Nichtanhandnameverfügung ausgestellt und von der OSTA mit-unterschrieben wird, womit auf die Ergänzungen nicht mehr einzugehen sei. Eine solche Überraschung hatte ich diesjahr schon dreimal.