Rhetorische Freiheit oder Ehrverletzung?

Das Bundesgericht schützt die Freisprüche eines Anwalts und seines Klienten, welche in einem Scheidungsverfahren objektiv ehrverletzende Äusserungen über die Gegenpartei gemacht hatten (BGer 6B_549/2010 vom 12.11.2010).

Dem Anwalt billigt das Bundesgericht zu, im Rahmen seiner Berufspflichten gehandelt zu haben:

Art. 14 StGB kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts etwa neben Richtern, Beamten oder Prozessparteien auch der Anwalt berufen, der eine Partei vertritt. Voraussetzung ist, dass seine Ausführungen sachbezogen sind, sich auf das für die Erläuterung des jeweiligen Standpunktes Notwendige beschränken, nicht wider besseres Wissen erfolgen und blosse Vermutungen als solche bezeichnen (BGE 135 IV 177 E. 4 mit Hinweisen). Innerhalb dieser Grenzen sollen die Anwälte die Interessen ihrer Mandanten auch pointiert vertreten dürfen, um die zu erläuternden Rechtspositionen nachhaltig auf den Punkt zu bringen. Hinzunehmen ist dabei ein gewisses Mass an übertreibenden Bewertungen und gar Provokationen, soweit sich die anwaltlichen Äusserungen weder als völlig sachwidrig noch als unnötig beleidigend erweisen. Diese “rhetorische Freiheit” ist den Anwälten mit Rücksicht auf ihre berufsrechtliche Verpflichtung zur einseitigen Interessenwahrung ihrer Auftraggeber zuzubilligen. Sie sind zur Parteilichkeit, nicht zur Objektivität berufen (Urteil des Bundesgerichts 6P.174/2004 vom 2. Mai 2005 E. 4.1 mit Hinweisen) (E. 2.5).

Den Klienten schützt das Bundesgericht aufgrund seiner Substantiierungspflicht:

Er könne sich aber auf den Rechtfertigungsgrund der Substantiierungspflicht im Prozess gemäss § 113 ZPO/ZH berufen. Er habe wie der Beschwerdegegner 1 sachbezogen und weder über das Notwendige hinausgehend noch wider besseres Wissen gehandelt. Ihm sei zudem als juristischem Laien zugute zu halten, dass für ihn kaum abschätzbar gewesen sei, welchen Äusserungen in der güterrechtlichen Auseinandersetzung welche Bedeutung zukomme (…) (E. 2.25).