Richter und Anwalt
Das Bundesgericht hat den mit Spannung erwarteten Entscheid über ein Ablehnungsbegehren entschieden (Urteil 1P.471/2006 vom 07.12.2006). Das Ablehnungsbegehren richtete sich gegen eine Richterin in einem Scheidungsverfahren. Sie sollte abgelehnt werden, weil der Anwalt der Gegenpartei gleichzeitig Vizepräsident des Zürcher Kassationsgericht und damit einer allfälligen Rechtsmittelinstanz ist. Der Beschwerdeführer richtete sein Ablehnungsbegehren an das Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, und unterlag. Gegen den Entscheid des Obergerichts gelangte er mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses überwies die Beschwerde mit Urteil vom 27. März 2006 an das Kassationsgericht des Kantons Zürich zur Behandlung (BGE 132 I 92). Das Kassationsgericht wies die Beschwerde ab. Dagegen führte der Beschwerdeführer nun erneut staatsrechtliche Beschwerde.
Das Bundesgericht kommt in einem juristisch sicher nachvollziehbaren Entscheid zum Ergebnis, die Bedenken, dass eine unterinstanzliche Richterin gegenüber einem Anwalt wegen dessen oberinstanzlichen Richteramts innerlich nicht mehr frei sei, “nicht angebracht seien”. Blosse Kollegialität unter Gerichtsmitgliedern begründe nach der Rechtsprechung auch keine Ausstandspflicht. Die Beziehung eines unterinstanzlichen Richters zu einem Anwalt, der gleichzeitig Mitglied einer Rechtsmittelinstanz ist, gehe im Allgemeinen nicht wesentlich über die Kollegialität unter Mitgliedern desselben Gerichts hinaus (E. 6.6).
Allerdings lässt das Bundesgericht durchblicken, dass diese Rechtsauffassung ausserhalb der Justiz kaum zu überzeugen vermag. Es wollte aber offenbar nicht in die Gerichtsorganisation des Kantons Zürich eingreifen:
Aus Sicht der Wahlbehörde sollen Präsident und Vizepräsident für die nötige Kontinuität in der Rechtsprechung des Kassationsgerichts sorgen (…). Ob diese die ihnen zugedachte Rolle tatsächlich erfüllen können, wenn sie wiederholt wegen Interessenkollisionen zu ihren Anwaltsmandaten in den Ausstand treten müssen, erscheint als fraglich, muss hier aber nicht näher erörtert werden. Bei dieser Sachlage wird es immerhin nachvollziehbar, dass der Vizepräsident des Kassationsgerichts im angefochtenen Entscheid mit einem Ersatzrichter an einer oberen Instanz verglichen wird, der nur gelegentlich zum Einsatz kommt (E. 6.8).
Gemäss NZZ liess der Anwalt des Beschwerdeführers verlauten, dass das Bundesgericht die Bewahrung der Institutionen über diejenige der Grundrechte stellte. Er werde den Entscheid daher an den EGMR ziehen. Sollte der EGMR eintreten, wage ich die Prognose, dass eine Verletzung von Art. 6 EMRK festgestellt werden wird.