"Richterliche" Fehlleistungen begründen keinen Ausstand
Offenbar nur knapp gescheitert ist ein Opfer, das erfolglos die Ablehnung eines Jugendanwalts beantragt hatte und sich dagegen vor Bundesgericht beschwerte (BGer 1B_234/2007 vom 31.01.2008). Vor Bundesgericht rügte das Opfer u.a. eine Verletzung des Anspruchs auf einen unabhängigen Richter (Art. 30 Abs. 1 BV).
Zu prüfen war u.a., ob die zitierte Verfassungsnorm auf den Jugendanwalt überhaupt anwendbar ist:
Nach der Rechtsprechung findet Art. 30 Abs. 1 BV auf Untersuchungsbehörden nur Anwendung, sofern diese in richterlicher Funktion tätig sind. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn ein Untersuchungsrichter einen Strafbefehl erlässt oder ein Strafverfahren einstellt (BGE 112 Ia 142 E. 2b S. 145 f.). Handelt er jedoch in seiner übrigen Funktion als Strafuntersuchungs- oder Anklagebehörde, ist die Ausstandspflicht gemäss Art. 29 Abs. 1 BV zu beurteilen (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198). Der vorliegende Fall des Jugendanwalts, der eine Einstellungsverfügung erlassen hat, beurteilt sich nach Art. 30 Abs. 1 BV (E. 4.2).
M.E. greift das Bundesgericht hier daneben. Angefochten war nicht die (bereits kassierte) Einstellungsverfügung, die der Jugendanwalt in richterlicher Funktion erliess. Beschwert hat sich das Opfer gegen die erfolglos beantragte Ablehnung des Jugendanwalts als Untersuchungs- und Anklagebehörde. Am Ergebnis hätte dies aber wohl nichts geändert. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, und zwar mit einer Begründung, die eigentlich gar keine ist. Es stellt zwar Fehlleistungen des Jugendanwalts fest, qualifziert sie aber als nicht besonders schwer. Wie es zu dieser Beurteilung kommt, sagt es nicht, sondern stellt es einfach fest:
Im Ergebnis ist mit dem Präsidenten der Anklagekammer festzuhalten, dass die Fehlleistungen des Jugendanwalts nicht derart schwer sind, dass sie einen Ausstand begründen. Der Jugendanwalt wird das Verfahren im Sinne des Entscheides der Anklagekammer weiterführen und danach erneut über den Fortgang des Verfahrens entscheiden (5.4).
Nicht einmal die Tatsache, dass der Jugendanwalt die Einstellungsverfügung erliess, nachdem das Ablehnungsverfahren bereits eingeleitet war, konnte das Bundesgericht umstimmen:
Das Ausstandsgesuch vom 9. Februar 2007 ist an die Anklagekammer in Bischofszell gerichtet. Wann der Jugendanwalt – mit Adresse in Frauenfeld – davon Kenntnis erhielt, ist nicht erstellt. Der Jugendanwalt äusserte gegenüber der Vertreterin der Beschwerdeführerin bereits zuvor die Absicht, das Verfahren einzustellen. Dieser Umstand lässt nach dem Gesagten nicht auf fehlende Distanz und Neutralität schliessen (hiervor E. 5). Der kurz darauf erfolgte Erlass der Einstellungsverfügung ist gleich zu beurteilen (E. 6).
Dass die Beschwerdeführerin nur knapp gescheitert ist, lässt der Kostenentscheid erahnen, denn sie erhielt die unentgeltliche Rechtspflege, was im Verfahren vor Bundesgericht schon als Erfolg gewürdigt werden darf.