Richterliche Fürsorgepflicht verletzt
Das Bundesgericht wirft einem kantonalen Obergericht vor, seine richterliche Fürsorgepflicht verletzt zu haben (BGer 6B_1217/2013 vom 18.02.2014). Es war auf eine Berufunug nicht eingetreten, welche der Beschwerdeführer erklärt hatte, bevor ihm das anzufechtende Urteil in seiner Begründung vorlag:
Entgegen der Darstellung des Obergerichts stellte die Eingabe vom 10. Juli 2013 offensichtlich keine Berufungsanmeldung dar, führte der Beschwerdeführer doch ausdrücklich aus, dass er mit dieser Eingabe die Berufung, die er gegen das Urteil ST-2013.4 des Bezirksgerichts Brugg vom 19. Juni 2013 bereits angemeldet hatte, nun auch noch beim zuständigen Obergericht „erklären“ wolle. Auch wenn dort zu diesem Zeitpunkt noch keine bezirksgerichtlichen Akten eingegangen waren, wäre das Obergericht verpflichtet gewesen, sich mit der „Erklärung“ näher zu befassen. Diese trotz ihres Wortlauts einfach als „Berufungsanmeldung“ dem Bezirksgericht weiterzuleiten, war falsch. Durch eine kurze Anfrage beim Bezirksgericht oder beim Beschwerdeführer hätte sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht nach der gesetzlichen Vorschrift von Art. 399 Abs. 3 StPO vorgegangen war und die Berufungserklärung zu früh eingereicht hatte. Auf diesen Fehler, der noch ohne Folgen behoben werden konnte, hätte das Obergericht den Beschwerdeführer aufmerksam machen müssen (E. 2).
Wieso sollte man nicht auch schon vorher die Berufung erklären können, wenn man mit dem erstinstanzlichen Entscheid nicht zufrieden ist. Aus meiner Sicht gibt es keinen notwendigen Grund zuwarten zu müssen, bis der begründete Entscheid vorliegt.
Vor allem wenn das Urteil ja in der mündlichen Verhandlung bereits eröffnet wird, erkennt der Beschuldigte ja, was sich der/die RichterInnen dabei gedacht haben. Und wenn der Beschuldigte ja tatsächlich unschuldig ist (oder sich zumindest dafür hält), muss doch ein „Fehlurteil“ vom Berufungsgericht sowieso korrigiert werden, egal was in der Urteilsbegründung steht…
@NN:
– Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
– Wer zu früh kommt wird konsequenterweise von der Justiz bestraft.
Einen _notwendigen_ Grund dafür braucht es bei keinem Gesetz.
Ein weiteres „Schmankerl“ des nämlichen Bezirksgerichts in Sachen überspitzter Formalismus findet sich im neuen forumpoenale 1/2014, S. 14 f.: Dort weigerte sich das Bezirksgericht Brugg, das Plädoyer des Verteidigers zu protokollieren, entging jedoch der m.E. fälligen Rückweisung, da das obgenannte Obergericht den Mangel als im Berufungsverfahren geheilt betrachtete…