Roland und der Preis der Pressefreiheit

In einer Gesellschaft, die durch den Handel mit Gras, Haschisch und Blütenstaub unmittelbar vor dem Abgrund steht, können fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien nicht mehr unbeschränkt gelten. Dies gilt insbesondere für die Pressefreiheit, deren Sinn in einem immer paternalistischer geprägten Staat wie der Schweiz ohnehin kaum noch zu erkennen ist. In diesem Sinn hat das Bundesgericht entschieden, dass einer Journalistin, die über einen Drogendealer berichtet hatte, kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen könne (BGer 1B_293/2013 vom 31.01.2014, Fünferbesetzung).

Der Sachverhalt:

Am 9. Oktober 2012 erschien in der Basler Zeitung ein Artikel von X mit dem Titel “Zu Besuch bei einem Dealer”. Darin schildert die Journalistin einen Besuch bei “Roland” in dessen Wohnung in Basel, bei dem er ihr Einblicke in seine Tätigkeit als Dealer vermittelte. Danach handelt er seit 10 Jahren mit “Gras, Haschisch und Blütenstaub” und verkauft mehrere Sorten Stoff meist holländischer Herkunft – aktuell habe er B52, Orange Butt, White Widow, Zero-Zero sowie gelben und schwarzen Afghanen im Angebot – an ihm bekannte Endverbraucher. Er kaufe den Stoff für rund 8’500 Franken pro Kilo; für den Verkauf erhöhe er den Einkaufspreis im Schnitt um zwei Franken pro Gramm und erziele auf diese Weise einen jährlichen Verdienst von 12’000 Franken.

Dieser Artikel begründete aus Sicht der Staatsanwaltschaft einen Verdacht, der zur Eröffnung eines Verfahrens gegen unbekannte Täterschaft (Roland) ausreichte. Um wen es sich bei Roland handelt, konnte die Staatsanwaltschaft nun aber bloss durch Befragung der Journalistin in Erfahrung bringen, die nun rechtlich gezwungen wird, Roland zu verraten.

Aus den Erwägungen:

Damit bleibt es dabei, dass “Roland” einer Straftat dringend verdächtig ist, die vom Gesetzgeber als ausreichend schwer eingestuft wurde, um im Regelfall eine Aufhebung des Quellenschutzes zu ihrer Aufklärung zu rechtfertigen. Sie wiegt im Vergleich zu den anderen Katalogtaten allerdings nicht besonders schwer, ist aber auch nicht von geringem Gewicht, da das deliktische Verhalten bereits während zehn Jahren andauert und der Täter damit immerhin 12’000 Franken pro Jahr verdient. Dass es sich nicht um einen unbedeutenden Fall handelt, zeigt auch der Umstand, dass im Verlauf einer Stunde, während der die Journalistin das Interview führte, mehrere Personen beim Täter auftauchten, um Drogen zu kaufen, und dieser nach eigenen Erklärungen Teil einer gross angelegten Verkaufsorganisation ist. Das Interesse an der Aufklärung der Tat ist daher als gross einzustufen (E 2.3.2).

Übrigens: Beim angefochtenen Entscheid handelte es sich ja um einen Zwischenentscheid. Das Bundesgericht zum Eintreten:

Da die Befragung der Beschwerdegegnerin für die Beschwerdeführerin das einzige erfolgsversprechende Beweismittel darstellt, um “Roland” zu identifizieren und das Strafverfahren weiterzuführen, kann das dieser zugestandene Zeugnisverweigerungsrecht das Scheitern der Strafverfolgung bewirken; darin liegt für die Beschwerdeführerin ein nicht wieder gutzumachender Nachteil (E. 1).

Ist das nun ein Nachteil rechtlicher oder bloss tatsächlicher Natur? Dazu äussert sich das Bundesgericht nicht. Es muss also ein rechtlicher Nachteil sein.