Rückwärtsfahren auf der Autobahneinfahrt
Das Bundesgericht kassiert in Fünferbesetzung einen Entscheid der Vorinstanz, welche ein Rückwärtsfahren auf der Autobahn als grobeVerkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG qualifiziert hatte (BGer 6B_819/2009 vom 14.01.2010). Den Sachverhalt stellt das Bundesgericht wie folgt fest:
Der Beschwerdeführer fuhr am Dienstag, 4. März 2008, um 14.15 Uhr, mit seinem Personenwagen in Rupperswil versehentlich in die Einfahrt der Autobahn T5 Richtung Aarau. Seinen Irrtum bemerkte er unmittelbar nach der grünen Signaltafel “Autobahn”. Er hielt sein Fahrzeug an, legte den Rückwärtsgang ein, wechselte auf den Pannenstreifen und setzte ca. 50 Meter zurück, um in die Autobahn N 1 in Richtung Bern einbiegen zu können (E. 1).
Rechtlich beurteilt das Bundesgericht diesen Sachverhalt wie folgt:
Die notwendige erhöhte Aufmerksamkeit auf Autobahneinfahrten führt im zu beurteilenden Fall allerdings nicht dazu, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückwärtsfahrt auf dem Pannenstreifen eine erhöhte abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer hervorgerufen hat. Dagegen sprechen sowohl die guten Strassen- und Wetterverhältnisse, das geringe Verkehrsaufkommen am frühen Nachmittag, die von den anderen Verkehrsteilnehmern gefahrene Geschwindigkeit auf dem betreffenden Streckenabschnitt wie auch die Sichtverhältnisse (…). Zudem ergibt sich aus den erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen, dass die Sichtdistanz beim Einhalten der erlaubten Geschwindigkeit von 60 km/h ausreichend war, um eine Kollision zu verhindern (…). Dem Beschwerdeführer ist ausserdem zuzustimmen, dass von einem rückwärtsfahrenden Fahrzeug grundsätzlich keine grössere Gefahr ausgeht als von einem stillstehenden. Die Handlung des Beschwerdeführers erfüllt damit den objektiven Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG nicht (E. 3.3).
Auch ein subjektiv schweres Verschulden erkennt das Bundesgericht nicht:
Da bereits eine erhöhte abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, und damit die objektive Seite von Art. 90 Ziff. 2 SVG, zu verneinen ist, braucht der subjektive Tatbestand der schweren Verkehrsregelverletzung im Prinzip nicht mehr geprüft zu werden. Es ist aber anzufügen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers unter den konkreten Umständen und Verhältnissen (vgl. oben E. 3.3.) weder gewissenlos, skrupellos noch rücksichtslos gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern war. Die Benützung des Pannenstreifens zur Rückwärtsfahrt ist zwar gemäss Art. 36 Abs. 3 VRV verkehrsregelwidrig, da dieser nur für Nothalte vorgesehen ist. Der Vorfall hat sich jedoch bei besten Strassen- und Wetterverhältnissen auf einer gemäss Fotodossier (pag. 8 f. der Vorakten) gut übersichtlichen und auf 60 km/h beschränkten Autobahneinfahrt (und nicht auf der eigentlichen Autobahn) ereignet. Der Beschwerdeführer handelte unter diesen Umständen nicht grobfahrlässig, weshalb neben der fehlenden erhöhten abstrakten Gefährdung auch ein schweres Verschulden nach Art. 90 Ziff. 2 SVG zu verneinen ist.
Die Handlung des Beschwerdeführers stellt somit eine einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG dar (E. 4.2).
Dem ist nichts beizufügen.