Rückführung vor Bestrafung

Das Bundesgericht kassiert ein weiteres Urteil des Obergerichts Zürich (BGer 6B_701/2019 vom 17.12.2020). Dieses hatte wesentliche Sachverhaltselemente nicht festgestellt und zwei Freisprüche nicht in das Urteilsdispositiv aufgenommen. Neu zu prüfen sein wird, ob die bereits vollzogene Freiheitsstrafe von fünf Monaten angesichts der auch für die Schweiz verbindlichen Rückführungsrichtlinie RL 2008/115/EU angesichts der neuen Rechtsprechung des EUGH in der Sache Affum überhaupt rechtens war.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz fällt auch die illegale Einreise in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115 und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Aus Art. 3 Ziff. 2 der Richtlinie 2008/115 ergibt sich, dass die Begriffe “illegaler Aufenthalt” und “illegale Einreise” in engem Zusammenhang stehen, da die illegale Einreise in der Regel auch zu einem illegalen Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats führt. Den Mitgliedstaaten ist es nicht erlaubt, allein wegen des Umstands einer illegalen Einreise, die zu einem illegalen Aufenthalt führt, Strafhaft von Drittstaatsangehörigen zuzulassen, für die das von der Richtlinie 2008/115 geschaffene Rückkehrverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (vgl. Urteil [des EuGH] C-47/15 vom 7. Juni 2016,  Affum, Rn. 60 ff.). Die in Urteil 1B_162/2015 vom 1. Juli 2015 E. 2.3 ergangene bundesgerichtliche Rechtsprechung (zitiert in 6B_1061/2016 vom 19. Juli 2017 E. 2.2, allerdings ohne Auseinandersetzung mit dem zwischenzeitlich ergangenen Entscheid  Affum), wonach die Richtlinie auf die illegale Einreise keine Anwendung findet, ist insoweit überholt. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115 sind nach der Rechtsprechung lediglich Straftaten ausgenommen, die Drittstaatsangehörige neben einer illegalen Einreise oder dem illegalen Aufenthalt ausserhalb des Ausländerstrafrechts begangen haben, mithin strafbare Handlungen, durch die über die ausländerrechtlichen Regelungen hinausgehende Schutzzwecke tangiert sind (BGE 143 IV 264 E. 2.6.2; Urteile 6B_118/2017 vom 14. Juli 2017 E. 4.4; je mit Hinweisen; EuGH, a.a.O. Rn. 65; vgl. zur aktuellen Gesetzeslage gemäss Art. 115 AIG: Botschaft vom 2. März 2018 zur Revision des Ausländergesetzes [AuG], BBl 2017 1752 f.). Dies ist jedoch bei Art. 115 Abs. 1 lit. a AuG nicht der Fall. (E. 1.4.2, Hervorhebungen durch mich).