Ruinöser Einstellungsbeschluss
Das Bundesgericht hatte sich in BGer 6B_928/2009 vom 15.02.2010 zum zweiten Mal mit einem Kostenentscheid gegenüber dem Beschwerdeführer zu befassen, dessen Strafverfahren eingestellt worden war (hier der erste Entscheid BGer 6B_892/2008 vom 07.04.2009). Dem Beschwerdeführer wurden u.a. ein Drittel der Kosten einer Telefonüberwachung von CHF 214,885.10 auferlegt. Das Bundesgericht schützt diesen Entscheid, im Kern mit der Begründung
[d]ie Kosten der Überwachungsmassnahmen [seien] zwar hoch, sie sind jedoch belegt und stehen in Einklang mit den Tarifen der genannten Verordnung, weshalb es zulässig ist, dem Beschwerdeführer diese Kosten anteilsmässig aufzuerlegen (E. 2.2.1).
Schmerzen wird den Beschwerdeführer auch die Stellungnahme des Bundesgerichts zur offenbar nicht ganz unbegründeten Rüge der Verletzung von Art. 10 BÜPF. Dazu das Bundesgericht:
Ebenfalls nicht eingetreten werden kann auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) geltend macht, da ihm Grund, Art und Dauer der Überwachung nicht vor der Einstellung des Verfahrens mitgeteilt worden seien (…). Er erhebt diese Rüge erstmals. Zwar werden neue rechtliche Vorbringen vom Novenverbot von Art. 99 BGG nicht erfasst. Rechtliche Noven sind jedoch nur zulässig, wenn sie nicht in Verletzung des Gebotes von Treu und Glauben erhoben werden (vgl. BGE 131 I 31 E. 2.1.1, 128 I 354 E. 6c). Dem Beschwerdeführer wäre es jedoch ohne Weiteres möglich und nach Treu und Glauben auch zumutbar gewesen, seine Behauptung der mangelnden Mitteilung der Überwachung bereits in einem früheren Verfahrensstadium vorzubringen.
Selbst wenn die Behauptung zutreffend ist, wäre wohl noch nicht gesagt, dass die Beschwerde gutgeheissen worden wäre. Dennoch erscheinen mir die Kostenfolgen für den Beschwerdeführer als unerträglich und ich frage mich, wie man hätte argumentieren müssen, um Erfolg zu haben. Ein solches Argument muss es doch geben.
Verstehe ich jetzt nicht ganz, eine Behörde hat mit Verfügung diese Überwachung angeordnet … und nun soll ein anderer dafür bezahlen? Ich meine wenn der Beschwerdeführer diese nicht in Auftrag gegeben hat, dann hat er auch die Rechnung dafür nicht zu zahlen oder hatte er wenigstens Einfluss darauf ob eine solche durchgeführt wird oder nicht? Wenn letzteres gar nicht zutrifft und es alleine die Entscheidung und der Auftrag der Behörde war, dann hat diese auch für die Kosten aufzukommen – ist eigentlich eine rein logische Sache… Zudem wurde das Verfahren ja wieder durch eine Behörde eingestellt und nicht durch den Beschwerdeführer selbst, also wieder alles ohne seinen Einfluss … für mich sieht das ein bisschen strange aus….
Oder ist es nun etwa so, dass wenn ein Opfer eine Strafanzeige macht und die Behörden dann im Rahmen des Strafverfahrens eine Überwachung durchführen die dann zu nichts führt und das Verfahren eingestellt wird, dann das Opfer auch noch dafür aufkommen muss oder was? Wohl kaum oder?!
Zudem finde ich die Kosten für eine solche Überwachung (wo heute alles nur noch mit wenigen Tastenklicks erledigt werden kann) erheblich zu teuer, ja geradezu Wucher!
Und gleich noch was, was soll das mit diesen “neue rechtlichen Vorbringen” eigentlich, das lese ich fast jedesmal und es nervt mich extrem, denn vielfach werden auf diese Weise auch wichtige neuen Beweise abgeschmettert… Und gerade wenn jemand neue wichtige Beweise vorbringt, die dann einfach abgeschmettert und nicht mal angeschaut werden, finde ich das für einen Prozess geradezu vernichtend, denn egal welches Ende der Prozess nehmen wird, die Beweise wurden nicht mal angeschaut also kann man das ganze Verfahren eigentlich in die Tonne werfen, da es dann meiner Meinung nach kompromitiert und sabotiert wurde, denn womöglich hätten die neuen Beweise ja alles geändert….
@Chris: Danke für den Kommentar, der wunderschön zeigt, dass das Strafprozessrecht eine gleichsam mystische Seite hat, die von juristischen Laien nicht nachvollziehbar ist. Die Überwachungskosten sind Teil der Prozesskosten, die nach den gesetzlichen Vorschriften auf die Parteien (oder den Staat) zu verteilen sind. Dabei spielt vieles eine Rolle. Keine Rolle spielt aber, wer den Auftrag erteilt hat, die zu den Kosten geführt haben. Dabei sind auch Fälle denkbar, in denen die Kosten dem Strafanzeiger auferlegt werden können.
Neue rechtliche Vorbringen: es ist noch ärger als der Kommentar glaubt. Neue Beweismittel – auch wenn sie noch so überzeugend sind – dürfen vor Bundesgericht in der Regel nicht beachtet werden. Mit rechtlichen Vorbringen sind allerdings nicht neue Beweismittel gemeint, sondern neue juristische Argumente! Diese sind zwar in der Regel zulässig (was ja auch logisch ist, nicht?), ausnahmsweise aber eben doch nicht. Hier haben wir eine solche Ausnahme.
Das Prozessrecht nimmt mit solchen Regeln bewusst in Kauf, dass “falsche” Urteile rechtskräftig werden und vollzogen werden müssen. Zur Ehrenrettung des Prozessrechts ist allerdings zu sagen, dass solche Regeln wichtig und notwendig sind. Die Anwälte sollten dafür sorgen, dass sie ihren Klienten nützen statt schaden. Aber die sind halt ebenso wenig perfekt wie die Regeln des Strafprozessrechts und die Urteile der Richter.
Ja, in der Tat mystisch oder wie es mir viel eher vorkommt, absichtlich verkompliziert, verworren und oft sehr schwammig, was für mich irgendwie so überhaupt nicht zu juristischem passt. Denn zumindest die Basis sollte da doch klar und deutlich sein, doch mir scheint es eher so, dass an sich gar nichts klar ist und alles irgendwie passend verschoben und verbogen werden kann, wie es dann eben gerade nötig ist damit es dann passt… Und meist geschieht das dann zu Gunsten der Behörde, dabei sollten ja eigentlich vor dem Gesetz alle gleich sein – doch dies scheint mir schon lange nicht mehr so zu sein, war es womöglich gar nie, war wohl alles seit jeher nur Illusion.
Und auch diese ständigen Verweise auf irgendwelche Texte die gar nicht veröffentlicht wurden, nerven sehr und machen das ganze erst recht undurchsichtig und mystisch… Was soll das überhaupt, was gibt es da eigentlich zu verstecken?
Zu verbergen versucht wird die Einsicht, dass ein Strafverfahren ein Prozess zur Herstellung einer formellen Wahrheit ist, der mit der immer wieder beschworenen materiellen Wahrheit oder gar mit Gerechtigkeit manchmal wenig zu tun hat. Das ist nicht zum Vornherein negativ, aber man sollte zumindest dazu stehen.