Sachverhalt zurecht gebogen

Das Bundesstrafgericht hat den Anklagegrundsatz verletzt, weil es sich in seinem Schuldspruch vom Sachverhalt entfernt hat, den die Anklage umschrieben hatte (BGer 6B_1262/2021 vom 23.03.2022):

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass der so begründete Schuldspruch wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte gegen den Anklagegrundsatz verstösst.  In der Anklage wird die Tathandlung in objektiver Hinsicht dahingehend umschrieben, dass der Beschwerdeführer einen Stein in die Richtung des Beschwerdegegners 2 geworfen und bei der anschliessenden Fixierung mit seinen Händen sowie Füssen um sich geschlagen habe; der Tatvorwurf bezieht sich also auf die Hinderung einer Amtshandlung mittels Gewalt bzw. den tätlichen Angriff während einer Amtshandlung. Von einer Drohung ist im Strafbefehl vom 22. Juni 2020 nicht die Rede. Wohl setzt der (angeklagte) Steinwurf in die Richtung des Beschwerdegegners 2 naturgemäss voraus, dass der Beschwerdeführer den Stein zuvor zumindest für kurze Zeit in der Hand hielt (E. 3.4). 

Schön, auch wieder einmal von der Umgrenzungsfunktion des Anklagegrundsatzes zu lesen.

Schliesslich geht der Schuldspruch auch in subjektiver Hinsicht über den in der Anklage umgrenzten Tatvorwurf hinaus, zumal sich der Vorsatz des Täters bei der hier interessierenden Tatvariante von Art. 285 Ziff. 1 StGB auch auf den drohenden Charakter seiner Handlungsweise und deren hindernde Wirkung auf die Amtshandlung beziehen muss (VERONICA BOETON ENGEL, in: Commentaire Romand Code pénal II, 2017, N. 36 zu Art. 285 StGB; STEFAN HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar Strafrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2019, N. 23 zu Art. 285 StGB). Auch dazu schweigt der Strafbefehl, obwohl durchaus nicht auf der Hand liegt, dass der Beschwerdeführer insofern mit Wissen und Willen handelte (E. 3.4)..