SBG v. BSG
Das Geldspielgesetz BGS hat per 1. Januar 2019 das Spielbankengesetz SBG abgelöst. Damit stellte sich die Frage nach dem Schicksal der unzähligen, teilweise etliche Jahre alten Verwaltungsstrafverfahren wegen Widerhandlungen gegen das abgelöste SBG, zumal die alten Strafbestimmungen jedenfalls nicht voll in den neuen aufgehen.
Die ESBK versucht mit jeweils unterschiedlicher Argumentationsweisen, ihre alten Verwaltungsstrafverfahren zu retten, bleibt damit aber regelmässig ohne Erfolg, zuletzt in BGer 6B_928/2020 vom 06.09.2021:
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Beschwerdegegner erfülle mit seinem Verhalten auch den neurechtlichen Tatbestand von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS, indem er Dritten in seinem Lokal den Zugang zu illegalen Spielen ermöglicht habe, diese an den Geräten habe spielen lassen, dadurch aktiv Spielbankenspiele in in seinen Verantwortungsbereich fallenden Räumlichkeiten angeboten und solche somit durchgeführt habe. Sie verkennt dabei, dass nicht das Anbieten und Durchführen eingeklagt wird, sondern die Unterlassung der Vorführung der Geräte. Obwohl die meisten Handlungen, die durch das SBG unter Strafe gestellt wurden, in das neue Gesetz übernommen worden sind, ist diese Vorführungspflicht gemäss neuem Recht gerade nicht mehr vorgesehen (…). Das von der Beschwerdeführerin genannte Verhalten würde überdies altrechtlich von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG erfasst (vgl. Urteil 6B_536/2020 vom 23. Juni 2021 E. 3; vgl. VISCHER, a.a.O., S. 218 mit Hinweisen). Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG sanktioniert mit Haft oder mit Busse bis zu Fr. 500’000.–, wer Glücksspiele ausserhalb konzessionierter Spielbanken organisiert oder gewerbsmässig betreibt. Eine Bestrafung nach dieser Bestimmung ist vorliegend nicht eingeklagt und fällt bereits deshalb ausser Betracht, weil es mangels Durchführung eines administrativen Unterstellungsverfahrens an einer Verfügung der ESBK betreffend die Qualifikation der Automaten fehlt (vgl. BGE 138 IV 106 E. 5.3.2; Urteil 6B_899/2017 vom 3. Mai 2018 E. 1.9 mit Hinweisen) [E. 3.4.3, Hervorhebungen durch mich].
Das Bundesgericht folgt der Argumentation der ESBK, welche die prozessualen Aspekte eines Verwaltungsstrafverfahrens (insb. das Anklageprinzip) regelmässig verkennt (oder zu spät realisiert), auch in diesem Fall nicht:
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sich im Rahmen des Geldspielgesetzes zahlreiche Begriffe und auch der Wortlaut der Normen verändert hätten, wobei diese jedoch nach wie vor denselben Sinn verkörpern könnten, vermag nicht zu überzeugen. Zwar mag die Argumentation im Rahmen der Strafverfügung nicht auf eine noch nicht existente Gesetzesnorm zugeschnitten sein. Jedoch ist eine andere rechtliche Würdigung nur dann zulässig, wenn der eingeklagte Sachverhalt sämtliche erforderlichen Tatbestandselemente des ins Auge gefassten anderen Delikts genügend umschreibt (vgl. E. 3.3.3 oben), was vorliegend mangels einer unter Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS zu subsumierenden Tathandlung gerade nicht der Fall ist. Wenn die Beschwerdeführerin zudem vorbringt, im erstinstanzlichen Verfahren sei ein Würdigungsvorbehalt zugunsten der neurechtlichen Bestimmungen ausdrücklich festgehalten worden und dem Beschwerdegegner sei die mögliche Subsumtion unter Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS von Anfang an bewusst gewesen, so verkennt sie, dass eine andere rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts ohnehin nur dann in Frage kommt, wenn das Gericht dies den Parteien vorab eröffnet und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt (vgl. Art. 344 StPO; vgl. E. 3.3.3 oben). Schliesslich kann der Beschwerdeführerin auch nicht gefolgt werden, soweit sie rügt, “zum Zwecke des Betriebs”, wie es in Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG enthalten sei, umfasse noch nicht den eigentlichen Betrieb und sei in der neurechtlichen Bestimmung ebenso enthalten, da auch die Organisation von Spielbankenspielen unter Strafe gestellt würde. Sie lässt dabei ausser Acht, dass die Organisation auch altrechtlich bereits geregelt war; jedoch nicht in lit. c des Art. 56 Abs. 1 SBG, sondern in lit. a (E. 3.4.4, Hervorhebungen durch mich).