Schnittstelle Agent – Strafverfolger
Im staatspolitischen Forum der NZZ (kostenpflichtig) sind zwei lesenswerte Beiträge zu den Schnittstellen zwischen den Nachrichtendiensten und den Strafverfolgungsbehörden erschienen, welche mit BWIS II in problematischer Weise verwischt werden.
Der Beitrag von Prof. Helen Keller steht unter dem Titel Geheimdienstmethoden in der Terrorismusbekämpfung, Bedenkliche Annäherung von Strafverfolgung und Staatsschutz in der Verbrechensprävention. Keller weist insbesondere auf die Gefahr hin, dass die in BWIS II vorgesehenen Regeln missbraucht werden könnten:
Der Bundesrat schlägt nun in seiner Botschaft die ersatzlose Streichung der in Art. 14 Abs. 3 BWIS verankerten Schranke für den Nachrichtendienst vor. Damit wird nicht nur die klare Trennung von Staatsschutz und Strafverfolgung aufgegeben. Es wird auch ein Einfallstor für weitreichende Überwachungsmassnahmen im Bereich des Staatsschutzes geschaffen. Die Gefahr des Missbrauchs solcher Instrumente ist gross. Das zeigt die Erfahrung in den Vereinigten Staaten, wo die Administration Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 breit angelegte, verfassungswidrige Abhöraktionen angeordnet hat.
Dem ist hinzuzufügen, dass das Missbrauchsrisiko in der Schweiz deshalb grösser ist, weil wir im Gegensatz zu den (anderen) modernen Rechtsstaaten keine wirksame Verfassungsgerichtsbarkeit kennen. Wir schaffen verfassungswidrige Gesetze, die dann auch verfassungswidrig angewendet werden. Sie sind für das Bundesgericht verbindlich.
Der Beitrag von Prof. Wolfgang Wohlers Informationsverbund von Nachrichtendienst und Strafbehörden, Rütteln an den Eckwerten des modernen Strafverfahrens denkt die Materie etwas weiter. Er kritisiert insbesondere, dass der Nachrichtendienst nach BWIS II Informationen mit Zwangsmassnahmen beschaffen kann und diese an die Strafverfolgungsbeshörden weiterleiten muss:
Werden nun Erkenntnisse, die im Rahmen dieser präventivgeheimdienstlichen Überwachungseingriffe gewonnen werden, auch für Zwecke der Strafverfolgung verwendet, verliert der strafprozessuale Anfangsverdacht seine Funktion als Grund und Grenze strafprozessualer Sachverhaltsaufklärung: Gehen geheimdienstliche und strafprozessuale Ermittlungen praktisch nahtlos ineinander über, setzt das Strafverfahren zwar noch rein formal gesehen einen Anfangsverdacht für eine Tat voraus, de facto reicht es aber aus, dass eine Person irgendwie verdächtig erscheint. Der Einsatz des Strafrechts als Instrument zur Bekämpfung von Personen, die das Land gefährden könnten, ist historisch gesehen zwar nichts Neues. Er kehrt aber die Entwicklung vom am Täter orientierten (Täterstrafrecht) zum auf die Tat ausgerichteten Strafrecht (Tatstrafrecht) um und kann vor diesem Hintergrund nur als rechtskultureller Rückschritt eingestuft werden.
Dass ein Beschuldigter aufgrund von Erkenntnissen verurteilt wird, die mit Massnahmen gewonnen worden sind, deren sich die Strafverfolgungsbehörden nicht hätten bedienen dürfen, würde den Grundsatz, dass die strafprozessuale Wahrheit nur mit Mitteln gefunden werden darf, die sich auf das Gesetz abstützen, grundlegend in Frage stellen.
(s. dazu auch meine früheren Beiträge zu BWIS II.)