Schon wieder neue Verjährungsregeln
Der Bundesrat hat die Botschaft für seinen indirekten Gegenvorschlag zur Verjährungsinitiative verabschiedet (vgl. Entwurf und Botschaft). Dabei geht es gemäss Medienmitteilung um folgendes:
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafrechts berücksichtigt, dass junge Opfer von Sexualdelikten unter dem Einfluss ihrer Peiniger leben und von ihnen emotional und wirtschaftlich abhängig sind. Es fällt ihnen deshalb schwer, über die erlittenen Handlungen zu sprechen, bevor sie sich von diesem Einfluss befreit haben. Deshalb erhalten Kinder unter 16 Jahren, die Opfer von schweren Sexualdelikten sowie von schwersten Delikten gegen Leib und Leben werden, eine längere Bedenkfrist, um zu entscheiden, ob sie eine Strafanzeige einreichen sollen. Neu wird die meist 15-jährige Verjährungsfrist für diese Delikte erst ab Volljährigkeit des Opfers zu laufen beginnen. Diese Lösung gibt dem Opfer mehr Zeit, um sich über die Vor- und Nachteile einer Strafanzeige Klarheit zu verschaffen; immerhin wird es genügend früh handeln müssen, damit das erstinstanzliche Urteil vor seinem zurückgelegten 33. Altersjahr gefällt werden kann.
Gut gemeint, aber im Grunde völliger Unsinn, der von falschen Vorstellungen darüber ausgeht, was das Strafrecht leisten kann.
Ich finde, dass alle Straftaten gegen Leib und Leben (d. h. insbesondere Mord und Sexualdelikte) von der Verjährung ausgeschlossen sein sollten, und zwar gerade auch im Interesse einer umfassenden Beurteilung der Bedrohung, die von einem Täter ausgeht. Daher sollte es für die Ermittlungsbehörden möglich sein, einen Sexualstraftäter auch für andere einschlägige Delikte (nach Möglichkeit in einem reinen Indizienprozess) zu belangen, wenn diese im Lauf eines gerichtlichen Ermittlungsverfahrens (z. B. durch Abgleich mit früheren Strafanzeigen gegen Unbekannt) entdeckt und ihm zugeordnet worden sind, sollten sie auch noch so lange zurückliegen. Die Aufklärung möglichst vieler Sexualstraftaten und die Identifizierung möglichst vieler Sexualstraftäter liegt im Interesse der (potentiellen) Opfer selbst und ihrer sozialen Umgebung, und damit auch im allgemeinen Interesse.