Schubarth zum Anklageprinzip
In einem Beitrag in der Schweizerischen Zeitschrift für Strafrecht weist Martin Schubarth auf die negative Auswirkung einer ungenügenden Anklageschrift hin, die nach seinen Beobachtungen immer wieder verkannt wird:
Fehlen bereits in der Anklageschrift die wesentlichen Fakten, auf die sich die Anklage stützt, läuft das Gericht Gefahr, seinerseits keine klaren Feststellungen zu den Fakten des objektiven Sachverhalts zu machen, mit der Folge, dass man nicht mehr prüfen kann, auf welche Fakten sich jetzt der Vorsatz zu beziehen hat und mit welchen Fakten die Vorsatzindizien begründet werden können (Schubarth, Praktische Probleme der Konkretisierung des Akkusationsprinzips, ZStrR 128 (2010) 177).
Das trifft zweifellos zu, setzt aber ein Verständnis des Anklageprinzips voraus, das heute nur von wenigen Gerichten geteilt werden dürfte. Der Anklagegrundsatz wird von vielen Richtern zu wenig konsequent angewendet. Der Grund kann eigentlich nur darin liegen, dass die Inquisition in manchen Köpfen bis heute nicht überwunden ist.
In diesem Zusammenhang ein Auszug aus einem Überweisungsbeschluss (Anklageschrift in Kt. Bern):
1. Die Strafverfolgung gegen T1 wird eröffnet wegen Betruges ev. Veruntreuung, begangen gemeinsam (sic!) mit T2 in der Zeit bis (sic!) 7.6.2010 in Ortschaft A, B, C und ev. anderswo.
2. Die Strafverfolgung gegen T2 wird eröffnet wegen Betruges ev. Veruntreuung, begangen gemeinsam (sic!) mit T1 in der Zeit bis (sic!) 7.6.2010 in Ortschaft A, B, C und ev. anderswo.
[… Überweisung an Einzelrichter]
Solche Anklageschriften finde ich höchst problematisch. Zunächst einmal wird der zu beurteilende Sachverhalt nicht klar definiert (begangen “bis”, begangen “irgendwo”). Ferner bleibt es offen (und in diesem Fall bis zuletzt sehr umstritten), was unter “gemeinsam begangen” zu verstehen ist: Mittäterschaft? Teilnahme? Beides? Materiellrechtlich wäre dieser Fall so zu beurteilen, dass der T1 sich des Betrugs schuldig gemacht hat und T2 einzig als sein Gehilfe in Frage käme.
Im Kanton Bern ist man ja fast ein bisschen stolz darauf, dass das Anklageprinzip nicht vollständig umgesetzt ist. Und überhaupt, der Angeklagte weiss ja sehr wohl, worum es geht …
So schlimm wird es also doch nicht gehandhabt.
Mit verantwortlich dürfte das Bundesgericht sein, dessen frühere Anklagekammer zwar einige Anstrengungen unternahm, das Anklageprinzip gegenüber der Bundesanwaltschaft aber schliesslich nicht durchzusetzen vermochte.
Die Anstrengungen der Anklagekammer sind hier noch eindrücklich belegt: BGE 120 IV 348.