Schutzbehauptung
Die Basler Justiz hatte folgenden Sachverhalt zu beurteilen:
X. verstaute am 22. Mai 2009 im Migros Claramarkt in Basel 70 Artikel im Gesamtwert von Fr. 300.– in vier von ihr mitgebrachte Einkaufstaschen, die sich in einem Einkaufswagen befanden. Den gefüllten Wagen steuerte sie an der Kassenreihe im ersten Stock vorbei. Sie begab sich zum Lift und fuhr mit diesem ins Parterre. Dort ging sie an einer weiteren Kasse vorbei und verliess das Gebäude mit dem Einkaufswagen durch die Drehtüre. Draussen wurde sie durch zwei Ladendetektivinnen angehalten. Gemäss ihren Angaben wollte sie beim Gemüsestand der Migros, der sich ausserhalb des Gebäudes befindet, noch Gemüse kaufen und den gesamten Einkauf bei der Aussenkasse bezahlen.
X. wurde wegen Diebstahls verurteilt. Das Bundesgericht schützt die Verurteilung (BGer 6B_100/2012 vom 05.06.2012):
Die Vorinstanz kommt zum Schluss, spätestens als die Beschwerdeführerin den mit den vollen Einkaufstaschen gefüllten Einkaufswagen durch die Drehtür aus dem Gebäude ins Freie hinaus gesteuert habe, sei nach den Regeln des sozialen Lebens der Gewahrsamsbruch eingetreten und der Diebstahl vollendet gewesen (…). Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, das Durchschreiten der Drehtüre könne keinen Gewahrsamsbruch darstellen, sofern man noch an einer Aussenkasse bezahlen könne (…).
Ob dies ausnahmsweise bei nur sehr wenigen Artikeln einmal bejaht werden kann, muss im vorliegenden Fall nicht geprüft werden. Der Einwand dringt jedenfalls nicht durch, wenn es – wie im vorliegenden Fall – um sehr viele Waren geht und diese am Gemüsestand angesichts der konkreten Ausgestaltung der dortigen Kasse gar nicht sinnvoll und effizient abgerechnet werden können. Es ist offensichtlich, dass die Waren in solchen Fällen spätestens an der letzten Innenkasse bezahlt werden müssen. Wer sie stattdessen in Einkaufstaschen verstaut und durch eine Drehtüre nach draussen befördert, bricht den Gewahrsam des Ladeninhabers gegen dessen Willen.
Es lebe die Unschuldsvermutung! Wer sie widerlegen will, muss lediglich erklären, die Argumente der Beschuldigten seien Schutzbehauptungen. Das funktioniert immer.
Meine Meinung dazu ist, so lange man noch bezahlen kann, innen oder aussen ist völlig irrelevant, ist es noch kein Diebstahl. Oder gibt es neuerdings etwa in Zeitlimit wie lange man die Ware im Wagen haben darf bis man bezahlt? Hätten die Ladendetektive anstatt zu früh einzugreifen gewartet wäre die Sache sicher viel eindeutiger gewesen.
Und schliesslich kann jedem auch mal ein Fehler unterlaufen, was wenn man raus geht und merkt “ups hab vergessen zu zahlen” und man wieder rein will und genau dann so ein voreiliger Ladendetektiv einem anhält.
Kommt natürlich auch immer auf die Umstände an, wenn die Ware bereits versteckt rausgetragen wird ist es wohl klar, doch wenn ich ein Korb raustrage oder Wagen rausschiebe wohl weniger, vorallem dann wenn es aussen auch noch Kassen gibt.
Die Frage wäre dann wie weit von der Aussenkasse darf man sich so denn noch bewegen bis es als Diebstahl gilt?
Und heute sind in vielen Fällen die Grenzen des Ladens gar nicht mehr so klar, da gibt es Kioske, Gartenzubehörbereiche oder Kleiderstände und was weiss ich alles für Dinge, die zum Laden gehören, die sich aber wild verstreut um den eigentlichen Laden befinden. Wann ist man da denn nun eigentlich draussen, und draussen von was, vom Laden oder nur von einem immer noch zum Laden gehörenden Bereich?!
Und zu “…um sehr viele Waren geht und diese am Gemüsestand angesichts der konkreten Ausgestaltung der dortigen Kasse gar nicht sinnvoll und effizient abgerechnet werden können…” ist doch kein Problem, dann hätte man sie einfach wieder reingeschickt!
Die Sache ist für mich klar, die Ladendetektive haben zu voreillig gehandelt und deshalb kann der Sachverhalt nun nicht mehr eindeutig geklärt werden!
Und das hätte eigentlich auch das Gericht erkennen sollen.
Falls die Frau tatsächlich die Absicht hatte, an der Aussenkasse zu bezahlen war dies kein schlauer Gedanke. Ebenso unüberlegt waren aber die Ladendetektive welche ohne ersichtlichen Grund die Frau zu früh angehalten haben.
“Der Einwand dringt jedenfalls nicht durch, wenn es – wie im vorliegenden Fall – um sehr viele Waren geht und diese am Gemüsestand angesichts der konkreten Ausgestaltung der dortigen Kasse gar nicht sinnvoll und effizient abgerechnet werden können.”
Da hätte das Gericht doch nachweisen müssen, dass die Frau über die konkrete Ausgestaltung der Kassen Bescheid wusste. Viel logischer wäre es imho gewesen, der Migros nahezulegen ihre Verkaufsdetektive so zu schulen, dass sie solange zuwarten bis eine solche Schutzbehauptung nicht mehr möglich ist. Das ist einer Grossfirma doch ohne weiteres zuzumuten.
Nachtrag:
Allein schon die Tatsache, dass die angebliche Diebin von den Ladendetektiven direkt nach Verlassen des Gebäudes ohne weiteres angehalten werden konnte beweist schlüssig, dass die Ware den Gewahrsam von Migros noch nicht völlig verlassen hatte.
Als kaltblütig berechnende Diebin würde ich doch ganz einfach den Einkaufwagen stehen lassen und blitzartig das Weite suchen.
Als Ladendetektiv muss man oft schnell reagieren. Besser wäre in diesem Falle jedoch gewesen zu warten, bis die Frau das Geschäft in eine konkrete Richtung verlässt. So hätte auch die Behauptung mit der Aussenkasse widerlegt werden können.