Schwaches Beweisantragsrecht

Ein Mittel, um dem Machtgefälle zwischen Strafverfolgungsbehörden und Verteidigung entgegenzuwirken, wäre ein wirksames Beweisantragsrecht. Wie schwach es wirklich ist, lässt sich an einem heute im Internet publizierten Bundesgerichtsurteil darstellen (BGer 1B_35/2018 vom 30.08.2018).

Das Bundesgericht verweist darin einen Beschwerdeführer, dessen Beweisantrag (Beizug und Entschlüsselung eines bankinternen Untersuchungsberichts, dessen Inhalt weder der Beschwerdeführer noch die Behörden kennen können) im Berufungsverfahren abgewiesen wurde, auf sein Beschwerderecht hin. Dieses ermögliche ihm ja dann, die Abweisung des Beweisantrags mit dem Berufungsentscheid beim Bundesgericht anzufechten.

Bei der angefochtenen Abweisung eines Beweisantrages handelt es sich um einen prozessleitenden Zwischenentscheid. Es erfolgt darin keine definitive Abweisung des prozessualen Antrages durch das Berufungsgericht. Der Antrag (Beizug des bankinternen Untersuchungsberichtes) erfolgte nach den Feststellungen der Vorinstanz im Rahmen der Berufungserklärung des Beschwerdeführers vom 18. Mai 2017. Im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheides war noch kein Berufungsverfahren (Art. 403-409 StPO) durchgeführt worden. Es handelt sich somit um einen Antrag und prozessleitenden Beschluss gestützt auf Art. 399 Abs. 3 lit. c StPO. Entsprechende Beweisanträge können an der Berufungsverhandlung nochmals gestellt und begründet werden (Art. 405 Abs. 1 i.V.m. Art. 339 Abs. 2 lit. d, Art. 343 und Art. 345 StPO). Das Berufungsgericht gibt den Parteien vor Abschluss des Beweisverfahrens nochmals die Gelegenheit, weitere Beweisanträge zu stellen (Art. 345 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO). Nach Vorliegen eines Berufungsurteils könnte die Rüge, es seien Beweisanträge, die sich auf den Inhalt des Urteils auswirkten, zu Unrecht abgewiesen worden, nötigenfalls auch nochmals im Rahmen einer Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gegen den schriftlich begründeten Endentscheid erhoben werden (Art. 93 Abs. 3 i.V.m. Art. 95 BGG; vgl. BGE 144 IV 127 E. 1.3.1 S. 130 f.; 143 IV 387 E. 4.4 S. 394; je mit Hinweisen, Hervorhebungen durch mich).
Im vorliegenden Fall ist auch kein drohender Beweisverlust dargetan, der es als geboten erscheinen liesse, dass sich das Bundesgericht bereits im aktuellen Verfahrensstadium mit der Abweisung von Beweisanträgen in einem Zwischenentscheid des Sachgerichtes befasst. Der fragliche bankinterne Bericht liegt passwortgeschützt und sicher bei den Akten des bezirksgerichtlichen Hauptverfahrens. Zudem könnte er auch jederzeit nochmals bei der betroffenen Bank (Beschwerdegegnerin) ediert werden. Da im angefochtenen Zwischenentscheid entschieden wird, den Bericht nicht zu den massgeblichen Akten des Berufungsverfahrens zu nehmen, hatte die Vorinstanz auch nicht über die Wahrung von schutzwürdigen Geheimnisrechten im Rahmen einer allfälligen Akteneinsicht durch die Parteien (Art. 102 Abs. 1 StPO) zu entscheiden (E. 3.2).
Nicht zugänglich ist mir, warum das Gericht und die Staatsanwaltschaft den verschlüsselt bei den Akten liegenden Untersuchungsbericht nicht sehen wollen (das Bundesgericht spricht im Zitat davon, er werde nicht zu den massgeblichen Akten genommen). Wieso wird ein unlesbarer Bericht zu den (nicht massgeblichen) Akten erkannt, wenn er nicht lesbar gemacht werden kann?
Nun gut, wir wissen nun wenigstens, dass es laut Bundesgericht neben den massgeblichen auch die nicht massgeblichen Akten gibt.