Schwere Steuerhinterziehung?
In der heute erschienenen NZZaS (kostenpflichtig) nimmt die Justizministerin den Faden auf, den Sie unlängst zusammen mit den kantonalen Finanzdirektoren zu spinnen begonnen hat (vgl. meinen früheren Beitrag). Es geht darum, den inländischen Fiskus dem ausländischen gleichzustellen:
Es stellt sich die Frage, ob wir nicht auch im Inland längerfristig auf die Unterscheidung von Steuerbetrug und schweren Fällen von Steuerhinterziehung verzichten sollen.
Was “schwere Steuerhinterziehung” sein könnte, erläutert sie wie folgt:
Erstens ist entscheidend, ob jemand in deliktischer Absicht handelt, zweitens die Wiederholung und drittens die Höhe des Betrages. Wenn jemand ein geerbtes Gemälde, dessen Wert ihm unbekannt ist, nicht angibt, so ist das sicher keine grobe Steuerhinterziehung. Anders ist es, wenn jemand Beträge nicht angibt, auf denen er hohe Erträge erwirtschaftet. Im Staatsvertrag mit den USA im Fall UBS haben wir eine Schwelle von 100 000 Franken Jahresertrag für grobe Fälle angenommen.
Art. 190 Abs. 2 DBG enthält für das Recht der direkten Bundessteuer den Begriff der “schweren Steuerwiderhandlung” und definiert ihn auch gleich, wenn auch sehr vage:
Schwere Steuerwiderhandlungen sind insbesondere die fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge (Art. 175 und 176) und die Steuervergehen (Art. 186 und 187).
Bei Art. 190 DBG handelt es sich um eine Verfahrensvorschrift, welche Zwangsmassnahmen (mit Ausnahme der Festnahme des Beschuldigten) auch bei blossen Übertretungen ermöglicht (Art. 191 DBG). Dazu gibt es übrigens unzählige Entscheide des Bundesstrafgerichts und des Bundesgerichts. Eine Übersicht findet sich hier.
Warum sie gerade jetzt mit solchen Ideen aufwartet, beantwortet die Justizministerin so:
Solange die Schweiz gegenüber dem Ausland an der Unterscheidung zwischen Betrug und schwerer Hinterziehung festhielt, konnte man nicht über die Aufhebung im Inland diskutieren. Jetzt, da die Unterscheidung gegenüber dem Ausland aufgehoben ist, ist die Zeit gekommen, auch im Inland darüber zu reden.
Ob der Zeitpunkt heute besser ist, wage ich zu bezweifeln. Politisch durchsetzbar sind die neuen Ideen, die wie gesehen gar nicht so neu sind, allemal. Man sollte sich aber dann auch einmal überlegen, wen es wohl in erster Linie treffen wird. Soweit ich es überblicke, würde eine Revision des Steuerstrafrechts in erster Linie natürliche Personen treffen, die nicht buchführungspflichtig sind. Die Buchführungspflichtigen können in der Regel gar keine Steuerhinterziehung begehen, weil sie dazu ihre Bücher fälschen müssten und damit in den Steuerbetrug rutschen. Für sie ändert somit gar nichts. Die Ideen der Justizministerin richten sich in erster Linie gegen reiche Privatpersonen, die wiederholt hohe Beträge nicht deklarieren. Das wiederum können eigentlich fast nur noch Rentner, welche die Steuerhinterziehung oft als eine Art Volkssport betreiben.