Schwerwiegende Eingriffe in die individuellen Grundrechte der Staatsanwaltschaft?

Das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau hat sich erfrecht, einen Entsiegelungsantrag der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts abzuweisen. Das Bundesgericht hebt den abweisenden Entscheid auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht nur auf, sondern heisst das Entsiegelungsgesuch reformatorisch gleich gut (BGer 1B_517/2012 vom 27.02.2013). Ob die anderen Entsiegelungsvoraussetzungen erfüllt waren, lässt sich nicht überprüfen. Das Bundesgericht stellt dies ohne ein Wort der Begründung in Erwägung 6 einfach  fest.

In der Sache ging es um eine Mäklerprovision von CHF 600,000.00 aus dem Jahr 2006 und um die Frage, ob die Provision zu Recht nicht in der Erfolgsrechnung verbucht wurde. Das hätte mit den Buchhaltungs- und Revisionsunterlagen belegt werden sollen, die bei einem Revisor beschlagnahmt wurden (als ob es nicht noch andere Möglichkeiten dazu geben würde).

Mit den Sachurteilsvoraussetzungen hält sich das Bundesgericht nicht lange auf, obwohl es sich beim angefochtenen Entscheid um einen Zwischenentscheid handelt und obwohl es ja nicht zur Domäne des Bundesgerichts gehört, sich mit dem von der Vorinstanz verneinten Tatverdacht auseinanderzusetzen. Das bestätigt das Bundesgericht sogar ausdrücklich:

Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachtes (Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO) keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen (E. 5.1).

Damit wäre die Abweisung der Beschwerde eigentlich bereits vorgezeichnet. Das wollte das Bundesgericht aber ja gerade nicht – sonst wäre es ja nicht eingetreten – , weshalb es seine Kognition etwas erweitern musste, wobei ihm ein Missgriff unterlief:

Bei Beschwerden gegen schwerwiegende Eingriffe in individuelle Grundrechte durch Zwangsmassnahmen prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung der StPO frei (E. 5.1).

Übersehen hat das Bundesgericht, dass hier die umgekehrte Prämisse vorlag. Es hat den Anspruch des betroffenen Grundrechtsträgers auf freie Überprüfung einfach auf die Behörde übertragen, die den Grundrechtseingriff vornehmen will. Vielleicht ist das Bundesgericht ja aber auch einfach der Meinung, dass die Staatsanwaltschaft Trägerin von individuellen Grundrechten ist, die vom ZMG verletzt wurden.