Schwierige Kostentragungsfragen: Korrigendum
Am Dienstag hatte ich kurz einen Beitrag online, bei dem ich vollkommen daneben lag. Ein Leser hat mich freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, sodass ich ihn löschen konnte. Wer den peinlichen Beitrag noch lesen konnte, sehe mir nach, dass ich ab und zu etwas zu unkritisch kritisiere. Der kommentierte Entscheid (BGer 6B_671/2013 vom 11.04.2013) ist aber an sich nicht uninteressant, sodass ich es jetzt noch einmal versuche.
Es ging um zwei ursprünglich mit Strafbefehl geahndete SVG-Übertretungsvorwürfe. Auf Einsprache hin fällt der Einzelrichteer folgendes Urteil:
- Freispruch vom Vorwurf des Nichtbeachtens des Vorschriftssignals “Verbot für Motorwagen”
- Schudpspruch wegen vorschriftswidrigen Parkierens
- Busse CHF 40.00, Verfahrenskosten CHF 522.00.
Gegen die Kostenauflage führte der Automobilist erfolglos Berufung und dann auch noch Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragte, ihm seien die Verfahrenskosten nur im Umfang von CHF 150.00 aufzuerlegen, zumal er sich ja gegen die Parkbusse nicht gewehrt habe und das Verfahren nur wegen des anderen Vorhalts durchgeführt werden musste, von dem er ja freigesprochen wurde. Vor Bundesgericht machte der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 426 StPO geltend:
Art. 426 StPO sei analog der Kostenregelung im Rechtsmittelverfahren auszulegen, wonach die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens zu tragen haben (Art. 428 Abs. 1 StPO). Nur eine solche Gesetzesauslegung entspreche dem gesunden Rechtsempfinden und dränge sich deshalb gebieterisch auf (E. 1.2).
Das Bundesgericht kontert die Rüge des Beschwerdeführers wie folgt:
Wenn der Gesetzgeber bereits im erstinstanzlichen Verfahren dieselbe Kostenverteilung wie im Rechtsmittelverfahren gewollt hätte, ist nicht einzusehen, weshalb er dies – nur zwei Artikel zuvor – nicht kodifiziert hätte. Entscheidend ist jedoch, dass eine Kostenauflage auch möglich ist, wenn das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen wird, sofern diese die Einleitung des Verfahrens rechtswidrig und schuldhaft bewirkt hat (Art. 426 Abs. 2 StPO) [E. 1.2].
Damit war der Weg frei für die Prüfung der adäquat kausalen Verursachung der Kosten, die das Bundesgericht wie folgt löst:
Die Polizei wurde auf den Beschwerdeführer aufmerksam, weil er sein Fahrzeug rechtswidrig parkiert hatte. Mit der Parkbusse ist seine Schuld erwiesen. Im selben Sachzusammenhang war zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer auch das Vorschriftssignal “Verbot für Motorwagen” verletzt hatte. Folglich waren die Untersuchungshandlungen adäquat kausal. Der vorinstanzliche Kostenentscheid ist nicht zu beanstanden.
Ob die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage damit grundsätzlich gelöst ist, ist mir nicht klar. Wenn trotz Teilfreispruchs die ganzen Kosten auferlegt werden, wird der Einsprache gegen einen unrichtigen Strafbefehl ein weiteres Hindernis in den Weg gestellt. Die Justiz schafft damit immer mehr Anreize, Urteile rechtskräftig werden zu lassen, die nicht der immer wieder beschworenen materiellen Wahrheit entsprechen. So wichtig ist sie wahrscheinlich doch nicht.