Sicherheitshaft ohne Hafttitel
Die Anordnung oder die Verlängerung von Sicherheitshaft ist bekanntlich zu befristen. Endet die Frist, wird der Häftling aber in der Schweiz nicht etwa entlassen (wo kämen wir da hin?), sondern einfach rechtswidrig in der Haft belassen. Im Gegenzug hat er Anspruch auf die Feststellung, dass die Haft für die Dauer bis zum neuen Haftentscheid rechtswidrig war (BGE 139 IV 94 E. 2.3.2-2.).
Diesen Anspruch hat das Obergericht SO in einem Berufungsverfahren verletzt, nachdem es vom Häftling auf den Ablauf der Haftfrist aufmerksam gemacht worden war (BGer 1B_189/2021 vom 12.05.2021). Der Instruktionsrichter hat auf den Hinweis des Häftlings ohne Anhörung der Parteien die Haftbelassung verfügt, ohne sich mit der Rechtswidrigkeit der Haft auseinanderzusetzen. Offenbar ging er davon aus, seine provisorische Verfügung sei ein rechtmässiger Hafttitel, was nicht richtig sein konnte und vom Bundesgericht denn auch beanstandet wird:
Weder im Dispositiv ihres Haftprüfungsentscheides noch in ihren Erwägungen hat die Vorinstanz die Rechtswidrigkeit der fraglichen Haft festgestellt. Zur Frage des am 9. März 2021 abgelaufenen Hafttitels erwägt die Vorinstanz lediglich Folgendes: Zwar sei unbestritten, dass die vom erstinstanzlichen Strafgericht angeordnete Sicherheitshaft “am 9. März 2021 endete”; der Instruktionsrichter des Berufungsgerichtes habe jedoch noch gleichentags provisorisch verfügt, dass der Beschuldigte über den 9. März 2021 hinaus noch bis am 12. März 2021 in Sicherheitshaft zu verbleiben habe. Die Rechtsgrundlage für die Sicherheitshaft nach dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils bilde Art. 231 Abs. 1 StPO (angefochtener Entscheid, E. 2.1 S. 3). Diesen Erwägungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Vorinstanz einen vorübergehend fehlenden Hafttitel beanstandet bzw. die betreffende Haft (zwischen dem 10. März und dem 12. März 2021, 09.12 Uhr) als rechtswidrig bezeichnet hätte. Die Vorinstanz scheint eher die unzutreffende Ansicht zu vertreten, die prozessleitende provisorische Verfügung vom 9. März 2021 des Instruktionsrichters des Berufungsgerichtes sei als formgültiger Hafttitel im Sinne von Art. 31 BV zu betrachten. Im Dispositiv (Ziffer 4) des angefochtenen Entscheides wird lediglich noch gesagt, über ein Haftentschädigungsbegehren des Beschuldigten werde “im Endentscheid befunden”. Dass die Vorinstanz den fraglichen Formfehler und die vorübergehende Rechtswidrigkeit der Haft nicht im Dispositiv festgestellt hat, hält in der vorliegenden Konstellation vor dem Bundesrecht nicht stand. Insofern ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen (E. 2.4).
Der Instruktionsrichter bleibt nach StPO übrigens Teil des Spruchkörpers des Berufungsgerichts, was mit Art. 5 f. EMRK nicht vereinbar ist. Er ist nach dem Willen des Gesetzgebers Haft- und Sachrichter in einer Person (Art. 232 StPO). Gut, dass wir kein Verfassungsgericht haben.
Sie sagen es richtig: „rechtswidrig in Haft“.
Da jedoch eine unmittelbare Entlassung eines „gefährlichen“ Straftäters (unabhängig von diesem Fall) für die Gesellschaft nicht zu verantworten ist (ja so einfach ist das, auch wenn die Verteidiger das nicht hören wollen), bleiben halt nur andere bzw. die bekannten „Wiedergutmachungsmöglichkeiten“.
Sehe da keine andere Lösung…und wenn jeder zu sich selber ganz ehrlich ist, weiss er das auch…
Ja wo kämen wir denn da hin… Gut zu wissen: Wenn Sie oder Ich jemanden ohne Rechtfertigungsgrund (d.h. rechtswidrig) einsperren, machen wir uns eines Verbrechens strafbar. Also ich weiss nicht wie Sie das sehen, aber wenn ein Opfer zwei/drei Tage eingesperrt wird, wird die Staatsanwaltschaft wohl regelmässig eine Freiheitsstrafe verlangen.
Aber klar, beim Staat ist das natürlich etwas völlig anderes der muss sich ja nicht ans Recht halten, wo kämen wir denn da hin…
Sie machen den Täter zum Opfer…
Wie gefährlich muss man eigentlich sein, damit die Strafbehörden das Recht nicht mehr beachten müssen? Und wer bestimmt, wie gefährlich man sein muss?
@KUR
Nein ich mache den Täter nicht zum Opfer. Der Täter ist hier Opfer. Einer Freiheitsberaubung.
@kj: Sie drehen alles um. Das Recht muss beachtet werden. Falls nein: bekannte Möglichkeiten zur Wiedergutmachung. Aber eben keine Entlassung, falls Rüchfallgefahr gemäss Gericht zu gross. Jemand muss ja entscheiden.
@Anonymous: Vor Leuten wie Ihnen habe ich deutlich mehr Angst als vor gefährlichen Straftätern.