Siegelung ohne Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse
In Art. 264 StPO nicht genannte Geheimnisinteressen sind nach einem neuen Grundsatzentscheid des Bundesgerichts im Entsiegelungsverfahren unbeachtlich (BGE 313/2024 vom 24.09.2024, Publikation in der AS vorgesehen). Das heisst aber nicht, dass sie ungeschützt wären:
Vielmehr hat die Verfahrensleitung – auf entsprechenden begründeten Antrag von Betroffenen hin – gegebenenfalls zu prüfen, ob sich eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts der Parteien zur Wahrung solcher privater Geheimhaltungsinteressen als erforderlich erweisen könnte (Art. 108 Abs. 1 lit. b StPO; s.a. Art. 102 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeführerin, bei der es sich nicht um eine beschuldigte Person handelt, hat im Entsiegelungsverfahren keine schutzwürdigen Geheimnisse im Sinne von Art. 264 StPO substanziiert (E. 2.4.3).
Im vorliegenden Fall ging es um die Entsiegelung edierter Bankunterlagen. Diese waren auf an sich berechtigten Antrag der Konteninhaber gesiegelt worden. Das Siegelungsbegehren wurde aber erst im Rechtsmittelverfahren gutgeheissen. Dies hatte gemäss Bundesgericht keinen Einfluss auf die Frist, die für das Entsiegelungsgesuch gilt:
Im vorliegenden Fall hat die BA die Zulässigkeit des Siegelungsbegehrens mit Verfügung vom 14. November 2023 geprüft und verneint. Zwar hat das Bundesstrafgericht die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Beschwerde am 28. Dezember 2023 gutgeheissen und die Verfügung der BA aufgehoben, worauf diese die Unterlagen am 5. Januar 2024 unverzüglich versiegelt hat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die BA das Entsiegelungsgesuch bereits – rückwirkend auf 7. November 2023 – hätte gestellt haben müssen, mit der Wirkung, dass damals bereits eine Frist zur Einreichung des Gesuches zu laufen begonnen hätte. Eine rechtskräftige Siegelung lag erst am 5. Januar 2024 vor, weshalb die 20-tägige Frist zur Einreichung des Entsiegelungsgesuches erst ab diesem Datum lief und das am 17. Januar 2024 gestellte Gesuch rechtzeitig erfolgt ist (nArt. 248 Abs. 3 StPO) (E. 3.3, Hervorhebungen durch mich).
Hinzuweisen ist hier noch auf folgende Erwägung:
Personen, die keinen eigenen Gewahrsam an den erhobenen Asservaten hatten und deren Siegelungsberechtigung für die Untersuchungsbehörde auch sonst nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, trifft die prozessuale Obliegenheit, bereits in ihrem Siegelungsbegehren ausreichend zu substanziieren, weshalb sie dennoch – ausnahmsweise – legitimiert seien, die Siegelung zu verlangen. Falls dritte Personen dies prozessual versäumen, laufen sie Gefahr, dass das ZMG bzw. schon die Untersuchungsbehörde das Siegelungsbegehren abschlägig behandelt und entsprechende Vorbringen – mangels einzuleitendem gerichtlichem Entsiegelungsverfahren – nicht gehört werden können (Urteile 7B_35/2024 vom 21. Mai 2024 E. 3.1; 7B_554/2023 vom 23. April 2024 E. 5.3; 7B_97/2022 vom 28. September 2023 E. 4.3; 1B_604/2021 vom 23. November 2022 E. 5.4; je mit Hinweisen) [E. 3.2, Hervorhebungen durch mich].
Diese Dritten wissen natürlich auch immer wann vom Ihnen etwelche Daten beschlagtnahmt werden, insbesondere wenn der Beschuldigte in U-Haft landet.