Singender Psychiater
Das Bundesgericht bestätigt die Verurteilung eines Beschwerdeführers, der seinem Psychiater gegenüber Rachgegelüste gegenüber seiner Freundin äusserte (BGer 6B_820/2011 vom 05.03.2012). Er erklärte gemäss Sacherhaltsdarstellung des Bundesgerichts,
dass er sich an seiner Freundin, welche ihn falsch angeschuldigt habe, rächen werde. Er werde sie suchen, vergewaltigen und umbringen. Es sei ihm egal, dass dies dann alle wissen würden und er eine weitere Strafe von mehreren Jahren zu gewärtigen hätte. Schliesslich verabschiedete er sich von seinem Psychiater, indem er ihm im Unterschied zu früher beide Hände schüttelte. Er lehnte einen weiteren Termin ab, bedankte sich „für alles“ und teilte mit, dass er „das jetzt erledigen“ müsse.
Der Psychiater liess sich sodann von seinem Berufsgehimnis entbinden und erstattete der Polizei Meldung. Im danach geführten Strafverfahren wurde der Beschwerdeführer wegen Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB zu 12 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Er bestritt den subjektiven Tatbestand:
Wie vor der Vorinstanz macht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht geltend, der subjektive Tatbestand der Drohung sei nicht erfüllt, denn er habe nicht voraussehen können, dass sich der dem Berufsgeheimnis unterstehende Psychiater vom Geheimnis entbinden lassen und die Drohungen der Polizei melden würde. Seiner Ansicht nach ist die Vorstellung, dass ein Psychiater so vorgehen würde, „in jeder Hinsicht abwegig“ (E. 3).
Das Wort „abwegig“ schien dem Bundesgericht zu gefallen. Es bezeichnet aber das Argument des Beschwerdeführers als „abwegig“:
Ob dem Beschwerdeführer eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht sogar erwünscht gewesen sein könnte, kann offen bleiben. Jedenfalls kann davon, dass er einfach seine aggressiven Gefühle der Freundin gegenüber mit dem Psychiater aufrichtig und der Sache angemessen besprochen hätte (…), nicht die Rede sein. Angesichts der Vorgeschichte und seines auffälligen Verhaltens an der Therapiesitzung und insbesondere an deren Ende musste der Psychiater, wie die Vorinstanz zu Recht feststellt, davon ausgehen, der Beschwerdeführer sei entschlossen, die angedrohte Straftat der Freundin gegenüber zu begehen. Unter den gegebenen Umständen war zu erwarten, dass der Psychiater den Schutz der Freundin des Beschwerdeführers höher als seine Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er sich entbinden lassen konnte, einstufen würde. Dies musste auch dem Beschwerdeführer klar sein. Das Vorbringen, dem Psychiater sei ein Fehlverhalten vorzuwerfen (Beschwerde S. 4 Ziff. 13), ist abwegig. Folglich nahm der Beschwerdeführer mindestens in Kauf, dass seine Freundin von seiner Drohung erfahren könnte. Der Schuldspruch wegen eventualvorsätzlicher Drohung ist nicht zu beanstanden (E. 3).
Man könnte es auch abwegig finden, eine abwegige Argumentation mit dem Argument zu verwerfen, sie sei abwegig. Aber vielleicht hat der Beschwerdeführer mit den subjektiven Tatbestand einfach in die falsche Kiste gegriffen.
Für den juristischen Laien wäre noch interessant zu erfahren, unter welchen Voraussetzungen ein Arzt sich (bei wem?) von der Verschwiegenheit entbinden lassen kann?