Sinnlose Siegelung?
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (aktuell bestätigt in BGer 7B_901/2024 vom 09.12.2024) liegen Sinn und Zweck der Siegelung darin,
dass die Strafverfolgungsbehörden keine Kenntnis des fraglichen Beweismittels erhalten können, solange das zuständige Entsiegelungsgericht nicht über die Zulässigkeit der Verwertung der beschlagnahmten Gegenstände zu Untersuchungszwecken entschieden hat. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung widerspricht die Siegelung bereits durchsuchter Aufzeichnungen und Gegenstände dem Zweck dieses Instituts bzw. vermag diesen gar nicht mehr zu ermöglichen (BGE 114 Ib 357 E. 4; Urteil 7B_127/2022 vom 5. April 2024 E. 3.3 mit Hinweis, E. 1.3.2).
In der Praxis stellt sich häufig das Problem, dass die Inhaber nicht oder nicht richtig über das Siegelungsrecht belehrt wurden. Das führt dazu, dass die Behörden von einem Verzicht ausgehen und die Aufzeichnungen durchsuchen. Eine nach Ablauf der Frist gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO geltend gemachte Siegelung wird meistens abgelehnt. Ob das richtig ist, wurde m.W. noch nicht entschieden und hängt wohl auch von den Fakten des konkreten Einzelfalls ab. Nach der hier zitierten Rechtsprechung könnte die Frage ohnehin offenbleiben, wenn die Aufzeichnungen – zu Recht oder zu Unrecht – bereits durchsucht wurden (was man meistens genauso wenig überprüfen kann wie die Behauptung der Inhaber, sie seien nicht oder nicht richtig belehrt worden. Sind die – allenfalls objektiv geschützten – Aufzeichnungen einmal bekannt, kommt das Siegelungsrecht ohnehin nicht mehr zum Tragen:
Der Beschwerdeführer erwähnt selbst, dass die Daten des hier interessierenden Mobiltelefons am 21. März 2024 ausgewertet worden seien. Infolge der Kenntnisnahme dieser Daten durch die Beschwerdegegnerin kann ein rechtlich geschütztes Interesse an deren Geheimhaltung vor der Untersuchungsbehörde nicht mehr in einem Entsiegelungsverfahren durchgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts droht dem Beschwerdeführer unter diesen Umständen kein nicht wieder gutzumachender Nachteil mehr. In Ermangelung eines aktuellen Rechtsschutzinteresses wäre er überdies ohnehin nicht beschwerdelegitimiert (E. 1.4).
Ist es dann wenigstens ein unrechtmässiges – und damit nicht verwertbares – Beweismittel, wenn seitens der StA schon so agiert wurde, dass der Beschuldigte von seinem Siegelungsrecht nicht oder nicht richtig Gebrauch machen konnte?
Das müsste nach meinem Dafürhalten so sein. Deshalb ist es ja auch kein Nachteil, der nicht mit dem Hauptentscheid wieder weggemacht werden kann (deshalb kein “nicht wiedergutzumachender Nachteil”). Und bekanntlich vertraut ja das Bundesgericht den Gerichten, dass sie mental die “verbotenen Beweismittel” gedanklich ausblendet und nicht über Umwege faktisch ein Resultat erreicht, das jenem unter Anwendung der verbotenen Beweismittel entspricht.
@Anonym 25 Dez 2024
/Ironie ON
Die Beurteilung, ob ein Beweismittel rechtmässig erhoben wurde oder nicht, liegt doch bei den Gerichten. Wenn ein Staatsanwalt nach bestem Wissen und Gewissen davon ausgeht, ein Gebot zu befolgen (z. B. im Rahmen der Strafverfolgung Beweise zu sichern), sollte das Beweismittel doch verwertbar sein.
Mehr dazu: https://schaffhausen-info.com/beurteilung-straftat-obliegt-staatsanwalt/
/Ironie OFF
Selbst wenn eine Siegelung angeboten worden wäre, hätte das ZMG den Antrag mit einer anderen Begründung abgelehnt, sodass der Beweis am Ende trotzdem verwertbar gewesen wäre.
In der Praxis läuft es letztlich darauf hinaus, ob der Beweis zur Überführung beiträgt. Sollte das der Fall sein, wird er auf jeden Fall verwertbar sein. Wenn der Beweis jedoch nicht zur Überführung beiträgt (somit sowieso nutzlos ist), kann man ihn einfach beiseite lassen und dabei das Theaterstück “Recht und Ordnung” weiterspielen.
Es dürfte, wie so oft, drauf ankommen. Zur Aufklärung “schwerer Straftaten” ist in der Schweiz ja bekanntlich fast jedes Mittel recht (Art. 141 Abs. 2 StPO).