Smartphone: Aufbewahrung ausgesonderter Daten?
Will die Staatsanwaltschaft einen Entsiegelungsentscheid anfechten, muss sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur geltend machen können. Das gelang ihr in einem aktuellen Fall nicht, weil ihr die meisten Daten des gesiegelten Smartphones zur Verfügung standen. Die ausgesonderten Video- und Bilddateien waren für die Beweisführung nicht zentral. Der Entscheid enthält aber noch eine Erwägung, die ich für bemerkenswert halte (BGer 1B_298/2020 vom 17.03.2021):
Klarzustellen bleibt Folgendes: Ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 BGG nicht zulässig, so ist gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG der betreffende Zwischenentscheid durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt. Die Beschwerdeführerin kann somit den vorinstanzlichen Entscheid gegebenenfalls mit Beschwerde gegen den Endentscheid anfechten. Die Vorinstanz darf deshalb die Bilder und Videos noch nicht löschen, sondern muss sie bis zum Abschluss des Strafverfahrens aufbewahren (E. 1.5).
Wer muss denn nun die Daten bis zum Abschluss des Verfahrens aufbewahren? Die Vorinstanz, also der Entsiegelungsrichter? Gilt dies nun auch, wenn ein Entsiegelungsgesuch vollumfänglich abgewiesen wird? Kann der Entsiegelungsentscheid dann zusammen mit dem Freispruch angefochten werden? Heisst das dann auch, dass im umgekehrten Fall der Entsiegelungsentscheid für den Sachrichter nie verbindlich sein kann?
Tja, die Geister, die ich rief… Es dämmert wohl allmählich auch dem Bundesgericht.
Nur das ist konsequent und richtig, es sei denn, man beschränkt die Aussonderung auf Inhalte, bei denen man absolut sicher ist, dass sie garantiert unter jedem erdenklichen Aspekt nicht und nie beweisverwertbar wären. Und so etwas gibt’s natürlich nicht.
Momentan ist ja beispielsweise selbst bei korrekter Entsiegelung ausgeschlossen, dass in entsiegelten Daten eines Beschuldigten die Beteiligung eines bis dahin noch nicht beschuldigten Anwalts festgestellt werden könnte, weil diese Daten ausgesondert werden. Könnte man nicht wenigstens mit späteren Erkenntnissen auf die ursprüngliche Beweissicherung zurückkommen, wäre das eine systematische strafrechtliche Begünstigung einer bestimmten Berufskategorie: Beweise zu Lasten von Anwälten würden von den Gerichten präventiv vernichtet. Honi soit…
Das ursprüngliche Asservat muss bis zur Rechtskraft aufbewahrt werden. Die Entsiegelung regelt nur die Auswertung von Beweismitteln. Die eigentliche Verwertbarkeit ist nicht Gegenstand des Entsiegelungsverfahrens – und schon gar nicht die Vernichtung von Beweismitteln. Man hat sich das halt alles viel einfacher vorgestellt.