Sozialgefährlichkeit als Grund für kleine Verwahrung

Auch bei einer Anlasstat, die an der Grenze der Tatbestandsmässigkeit sexueller Handlungen mit Kindern liegt, ist die Anordnung einer stationären Massnahme nicht unverhältnimässig. Dies begründete das Bundesgericht in einem neuen Entscheid auch damit, dass sich der Beschwerdeführer durch eine Medikation in falscher Sicherheit wiegt (BGer 6B_63/2013 vom 04.03.2013):

Grundlage für die Anordnung der stationären Massnahme ist die Sozialgefährlichkeit des Beschwerdeführers, die sich einerseits in dessen Anlasstat manifestiert und andererseits weitere Straftaten von einigem Gewicht befürchten lässt. Der Beschwerdeführer wurde wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Die Einnahme von Lycrin reduziert zwar den Sexualtrieb des Beschwerdeführers, suggeriert ihm aber zugleich ein falsches Sicherheitsgefühl. Er nimmt an, dass er aufgrund der Medikamenteneinnahme keine weiteren Sexualstraftaten begehen werde und verkennt, dass sein Rückfallrisiko trotz der Behandlung mit Lycrin weiterhin als hoch einzuschätzen ist. Dass er einer Fehleinschätzung unterliegt, wird durch die von ihm unternommene und als unproblematisch beurteilte Amerikareise bestätigt, bei der er bewusst Orte aufsuchte, an denen sich viele Jugendliche und Kinder aufhielten. Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass die Anlasstat (Onanieren vor laufender Webcam) sich an der Grenze der Tatbestandsmässigkeit sexueller Handlungen mit Kindern bewegt und sein Verschulden angesichts der ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten als eher leicht einzustufen ist. Jedoch besteht bei ihm trotz Lycrin-Behandlung nicht nur ein sehr hohes Rückfallrisiko hinsichtlich der hier gegebenen Anlasstat von Cybersex, sondern auch hinsichtlich der von ihm bereits begangenen Straftaten (realer) sexueller Handlungen mit Kindern. Der Beschwerdeführer ist momentan nicht in der Lage, seine Lebensführung selbstverantwortlich und entsprechend der bei ihm diagnostizierten Störung und Vorstrafen zu gestalten. Aufgrund der grossen Sozialgefährlichkeit der von ihm begangenen Straftaten, genügt die ambulante psychiatrische und medikamentöse Behandlung derzeit nicht, um das Risiko möglicher weiterer Sexualstraftaten von einiger Schwere zu verhindern oder ausreichend zu minimieren. Die Anordnung einer stationären Massnahme und der damit verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers sind verhältnismässig im Sinne von Art. 56 Abs. 2 StGB. Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht (E. 3.4.2).

Notwendig, geeignet und verhältnismässig i.e.S. oder einfach unverhältnismässig? Der ersten Instanz hatte eine ambulante Therapie bei Einnahme triebdämpfender Medikamente gereicht. Die höheren Instanzen scheinen gerade in der Medikation das Risiko zu sehen. Und: was versteht man eigentlich unter Sozialgefährlichkeit? Liegt Sozialgefährlichkeit vor, wo die Gefahr realer sexueller Handlungen nicht zu begründen ist?