Sozialpolitische Einschränkung der strafrechtlichen Einziehung

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde einer wegen Schwarzarbeit verurteilten Ausländerin gut, die sich gegen die Einziehung von CHF 8,600.00 nach Art. 70 StGB wehrte (BGE 6B_1000/2010 vom 22.08.2011, Publikation in der AS vorgesehen). Die Beschwerdeführerin hatte als Raumpflegerin während ca. 102 Monaten monatlich ca. Fr. 2’400.– durch rechtswidrigen Arbeitserwerb verdient. Das von den Vorinstanzen eingezogene Bargeld wurde bei der Beschwerdeführerin beschlagnahmt und stammte aus dem Arbeitserwerb.

Obwohl sich strafbares Verhalten nicht lohnen soll (Ausgleichseinziehung, BGE 129 IV 107 E. 3.2), erscheint die Einziehung des Arbeitserwerbs als stossend. Das Bundesgericht kommt zum selben Ergebnis und begründet die Gutheissung der Beschwerde damit, dass in einem solchen Fall die Einziehung der Einheit der Rechtsordnung unterlaufen würde, zumal die fehlende fremdenrechtliche Arbeitsbewilligung nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses führt und dem Lohnanspruch nicht entgegensteht. Nebst dem zivilrechtlichen Schutz des Arbeitnehmers stützt sich das Bundesgericht zudem auf öffentliches Recht:

Bundesgesetze sind für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend (Art. 190 BV). Das BGSA erweitert mit den Mitteln des öffentlichen Rechts den zivilrechtlichen Schutz ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Arbeitsbewilligung als schwächeren Vertragsparteien vor der Ausbeutung durch Schwarzarbeit, indem es im Rahmen eines Weg- oder Ausweisungsverfahrens nicht nur die Behörden verpflichtet, sie über ihre Rechte zu informieren, sondern gewerkschaftlichen Organisationen zusätzlich noch ein Klagerecht zur Durchsetzung ihrer Ansprüche aus Arbeitsvertrag oder aus einem faktischen Arbeitsverhältnis einräumt. Es widerspräche Wortlaut, Sinn und Zweck dieser Gesetzgebung, in der Folge die gegebenenfalls klageweise durchgesetzten Lohnansprüche einzuziehen. Hingegen unterliegen diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neben der Weg- oder Ausweisung insbesondere der Strafnorm von Art. 115 AuG, die Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe androht.
Neben zivil- und öffentlichrechtlichen Normen stehen somit auch Gesichtspunkte der Einheit der Rechtsordnung einer Einziehung entgegen. Es handelt sich demnach um eine bundesrechtlich normierte sozialpolitische Einschränkung des strafrechtlichen Einziehungsrechts. Wo dieser Schutzgedanke der schwächeren Vertragspartei nicht zum Tragen kommt, steht einer Einziehung grundsätzlich nichts mehr im Wege (E. 3.5).