Staatsanwalt als Anwalt des Beschuldigten

Dass sich die Staatsanwaltschaft auch als Anwalt des Beschuldigten sieht, überrascht nicht. Dass sie die Interessen des Beschuldigten auch gegen seinen eigenen Verteidiger vertritt, mutet vielleicht schon eher merkwürdig an. Dass sie dann aber zugunsten des Beschuldigten das falsche Rechtsmittel ergreift, könnte man als peinlich qualifizieren. Man muss es aber nicht, denn es schadet einer Staatsanwaltschaft natürlich nicht, daneben zu greifen. Sie obsiegt dennoch. Das zumindest ist der Eindruck, der bei der Lektüre eines neuen Bundesgerichtsentscheids entstehen könnte (BGer 6B_48/2013 vom 13.06.2013).

Dabei geht es um eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Festsetzung des Honorar des amtlichen Verteidigers. Die Vorinstanz hatte die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gutgeheissen und das Honorar massiv gekürzt. All dies notabene als Beschwerdeinstanz und in Anwendung des Beschwerderechts. Gegen diesen Entscheid führte der amtliche Verteidiger Beschwerde. Er machte geltend, die Vorinstanz sei zur Beurteilung der Entschädigung für die amtliche Verteidigung in sachlicher Hinsicht nicht zuständig gewesen. Diese Meinung teilt das Bundesgericht grundsätzlich zwar schon, sieht darin aber keinen schweren Mangel und betont aus mir nicht ersichtlichen Gründen, dass es das Recht von Amtes wegen anwendet.

Und das sieht dann wie folgt aus:

Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Festsetzung der Entschädigung Beschwerde und nicht Berufung erhoben. Die Beschwerdekammer in Strafsachen hat darüber in Anwendung der prozessualen Bestimmungen über das Beschwerdeverfahren entschieden.

Der Kanton Aargau hat die Befugnisse von Beschwerdeinstanz und Berufungsgericht dem Strafgericht des Obergerichts übertragen. Dieses entscheidet sowohl über Berufungen wie auch über Beschwerden (§ 13 des Einführungsgesetzes des Kantons Aargau vom 16. März 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO; SAR 251.200]).
Das Obergericht ist in Abteilungen gegliedert (§ 65 des aargauischen Gerichtsorganisationsgesetzes vom 6. Dezember 2011 [GOG; SAR 155.200]). Die Abteilung Strafgericht umfasst drei Strafkammern, eine Jugendstrafkammer und zwei Beschwerdekammern. Die hauptamtlichen Richter des Obergerichts sind einer Kammer zugewiesen (§ 11 der Geschäftsordnung des Obergerichts des Kantons Aargau vom 21. November 2012 [GKA 155.200.3.101]). Innerhalb der Abteilung werden die zugeteilten Richter durch andere hauptamtliche Oberrichter oder durch Ersatzrichter vertreten (§ 12 der Geschäftsordnung).
Eine sachliche Unzuständigkeit des Spruchkörpers der Beschwerdekammer in Strafsachen liegt nicht vor. Die am angefochtenen Entscheid beteiligten Richter sind zwar der Beschwerdekammer zugeteilt. Als Mitglieder des Strafgerichts sind sie als Ersatzrichter auch zur Mitwirkung in den Strafkammern befugt.
Soweit ausschliesslich Kosten-, Entschädigungs- und Genugtuungsfolgen eines Urteils angefochten sind, ist das Berufungsverfahren weitgehend gleich ausgestaltet wie das Beschwerdeverfahren. Es findet keine mündliche Verhandlung statt und das Gericht kann die Berufung in einem schriftlichen Verfahren behandeln (Art. 406 Abs. 1 lit. d StPO). Indem die Einwendungen der Staatsanwaltschaft im Beschwerde- statt im Berufungsverfahren beurteilt worden sind, erleidet der Beschwerdeführer keinen Rechtsverlust.
Der dem vorinstanzlichen Verfahren anhaftende Mangel wiegt nicht derart schwer, dass ausnahmsweise eine Nichtigkeit des angefochtenen Entscheids angenommen werden müsste (vgl. dazu Urteil 6B_339/2012 vom 11. Oktober 2012 E. 1.2 mit Hinweisen).
Die Gerichtskosten von CHF 2,000.00 zahlt – ja wer denn sonst – der beschwerdeführende amtliche Verteidiger.