Staatsanwalt zensuriert Websites

Im Kanton Wallis hat ein Staatsanwalt gegenüber einem Internet-Domain-Provider die umgehende Sperrung von zwei Websites angeordnet, da darauf ehrverletzende Äusserungen verbreitet würden (ich halte mich an die Sachverhaltsdarstellung der Behörden). Vielleicht weil in der Schweiz fast nicht mehr vorstellbar ist, dass die Macht der Staatsanwaltschaft Grenzen haben muss, wurde die Beschwerde des Inhabers der Domainnamen vom Kantonsgericht abgewiesen.

Das Bundesgericht kassiert den Entscheid, der sich auf Art. 69 Abs. 2 StGB stützen wollte (BGer 1B_294/2014 vom 19.03.2015):

Soweit die Vorinstanz – sinngemäss – die Auffassung vertreten sollte, es sei hier eine „Vernichtung“ (im Sinne von Art. 69 Abs. 2 StGB) verfügt bzw. strafprozessual eingeleitet worden, kann ihr nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Fall wurde nicht die Vernichtung eines gefährlichen Gegenstandes angeordnet, sondern die sofortige Unterbindung eines angeblich ehrverletzenden (mutmasslich strafbaren) Verhaltens des Beschwerdeführers in Form der Veröffentlichung von Meinungsäusserungen auf zwei Internet-Domains (sog. „Meinungsblogs“). Von der Vernichtung eines gefährlichen Gegenstandes im Sinne des Gesetzes kann hier nicht gesprochen werden. Wie der Beschwerdeführer mit Recht geltend macht, bildet Art. 69 Abs. 2 StGB insofern keine klare gesetzliche Grundlage für die angefochtene Verfügung. Bei einer Vernichtung würde es sich im Übrigen um eine strafrechtliche Sanktion handeln. Eine solche wäre nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Entweder müsste ein Richter die Sanktion (in einem Strafurteil) erstinstanzlich anordnen (Art. 69 Abs. 2 StGB) oder es müssten die gesetzlichen Voraussetzungen einer (ausnahmsweisen) vorzeitigen Vernichtungsanordnung durch die Staatsanwaltschaft erfüllt sein. Hier wurde weder ein selbstständiges Einziehungsverfahren (Art. 376-378 StPO) eingeleitet, noch wären die Voraussetzungen von Art. 266 Abs. 5 StPO (vorzeitige Verwertung) erfüllt (E. 4.1).

Das Bundesgericht hat in der Folge eingehend nach anderen (näher liegenden) gesetzlichen Grundlagen gesucht und auch gefunden (Art. 263 Abs. 1 lit. d und Art. 196 lit. c StPO i.V.m. Art. 69 Abs. 1 StGB). Kassiert hat es den Entscheid der Vorinstanz unter Hinweis auf den Tatverdacht und die Verhältnismässigkeit:

Die Vorinstanz wird zu prüfen haben, ob ein hinreichender Tatverdacht strafbarer Handlungen vorliegt. Dabei wird sie auch der Sachdarstellung des Beschwerdeführers (und den von ihm eingereichten Beweismitteln) ausreichend Rechnung zu tragen haben. Falls ein hinreichender Tatverdacht besteht, wird die Vorinstanz (in Nachachtung des Verhältnismässigkeitsgebotes) weiter zu prüfen haben, welche konkreten Äusserungen ehrverletzend (oder in anderer Weise strafbar) erscheinen. In einem letzten Schritt wird die Vorinstanz eine allfällige vorsorgliche Sperrung der Webseiten (sofern sie zur Wahrung der Untersuchungszwecke sachlich notwendig erscheint) auf die fraglichen deliktischen Äusserungen zu beschränken haben (E. 4.6).

Damit wird die Staatsanwaltschaft zur möglichen Zensurbehörde im Internet. Die mühsamen und teuren Zivilprozesse braucht es nicht mehr. Ein weiterer Dammbruch, den niemand gesehen hat?