Staatsanwaltschaft kämpft für befangenen Richter
Die Staatsanwaltschaft SG wollte sich nicht damit abfinden, dass die Anklagekammer einen Kreisrichter für befangen erklärte, der geschäftliche Beziehungen zu einem Beschuldigten unterhielt, die einen Zusammenhang mit den Vorhalten hatte.
Glücklicherweise hat das Bundesgericht ihre Beschwerde abgewiesen (BGer 1B_22/2019 vom 17.04.2019). Dem Entscheid lässt sich ein Sachverhalt entnehmen, der kaum zu glauben ist. Der Bezirksrichter selbst fühlte sich übrigens nicht befangen:
Nach den Anklageschriften gehörten die im Immobilienbereich tätigen Genossenschaften B., C. und D. sowie die E. AG zu einer Gruppe von Gesellschaften die miteinander verflochten waren und gegenseitig voneinander abhingen. Der Beschwerdegegner hatte sowohl bei den Genossenschaften als auch bei der E. AG eine zumindest mitbeherrschende Stellung. Die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen soll er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Genossenschaften und die E. AG begangen haben.
Die Genossenschaft B. verfolgte ein grosses Bauprojekt. Kreisrichter Bernasconi ist Geologe. Seine F. AG führte in den Jahren 2007-2010 für die Genossenschaft B. Aufträge aus; ebenso für die Genossenschaften C. und D. Die F. AG war als Beraterin für geologische und hydrologische Fragen tätig. Die Honorarsumme zugunsten der F. AG belief sich auf insgesamt ca. Fr. 40’000.–.
Kreisrichter Bernasconi bzw. seine F. AG pflegten demnach eine mehrjährige geschäftliche Beziehung insbesondere zur Genossenschaft B. Die Honorarsumme ist beträchtlich. Kreisrichter Bernasconi unterhielt die geschäftliche Beziehung in den Jahren, in denen der Beschwerdegegner die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen im Wesentlichen begangen haben soll; dies zudem zeitnah vor dem Konkurs der Genossenschaft B. im Jahr 2011 und der Eröffnung der Strafverfahren ST.2010.32929 und ST.2011.16289 in den Jahren 2010 und 2011. Im Rahmen seiner Geschäftsbeziehung zur Genossenschaft B. hatte Kreisrichter Bernasconi direkten Kontakt mit dem Beschwerdegegner. Dies belegen in den Akten liegende Schreiben bzw. E-Mails. Hinzu kommt Folgendes: Kreisrichter Bernasconi legte in seiner Stellungnahme vom 9. November 2018 an die Vorinstanz dar, das Honorar der F. AG sei restlos beglichen worden. Dies trifft jedoch nicht zu. Wie sich aus dem Kollokationsplan der Genossenschaft B. ergibt, hat die F. AG gegen diese noch eine offene Forderung von Fr. 5’828.60, welche aus der früheren geschäftlichen Beziehung herrührt. Zu deren Zeitpunkt war Kreisrichter Bernasconi alleiniger Aktionär der F. AG. Heute ist er nach wie vor Mitglied ihres Verwaltungsrats. Die enge Beziehung von Kreisrichter Bernasconi zur F. AG besteht demnach fort, auch wenn er seine Aktien inzwischen an einen Dritten übertragen hat.
Ob – wie die Vorinstanz annimmt – die geschäftliche Beziehung von Kreisrichter Bernasconi zu den Genossenschaften für sich allein für den Anschein der Befangenheit genügt hätte, kann dahingestellt bleiben. Dieser Anschein ist jedenfalls zu bejahen, wenn man zusätzlich die noch offene Forderung der F. AG gegen die Genossenschaft B. berücksichtigt, welche Kreisrichter Bernasconi in seiner Stellungnahme an die Vorinstanz überging. Die Anklage wirft dem Beschwerdegegner vor, die Genossenschaft B. schwer geschädigt zu haben. Damit könnte er für einen finanziellen Verlust der F. AG verantwortlich sein. Unter diesen Umständen besteht objektiv die Gefahr der Voreingenommenheit von Kreisrichter Bernasconi. Wenn ihn die Vorinstanz in den Ausstand versetzt hat, verletzt das daher kein Bundesrecht (E. 4.3, Hervorhebungen durch mich).
Solche Geschichten werfen kein gute Licht auf die erstinstanzliche Strafjustiz, deren Unabhängigkeit ohnehin schon schwach genug ist.