Starkes Bundesgericht
Vielleicht täuscht ja mein Eindruck, aber das Bundesgericht – jedenfalls die Strafrechtliche Abteilung – scheint sich wieder vermehrt darauf zu besinnen, die Verfahrensbeteiligten in der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützten. In einem neuen Urteil (BGer 6B_620/2014 vom 25.09.2014) bekräftigt es u.a., dass die Verletzung des Konfrontationsanspruchs auch noch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden kann.
Es finden sich aber im Urteil auch andere Zitate, die erwähnenswert sind. Hier eine Auswahl:
Die Vorinstanz verhält sich widersprüchlich, wenn sie einerseits die persönliche Befragung der Privatklägerin für erforderlich erachtet und diese von Amtes wegen zur Berufungsverhandlung vorlädt, andererseits jedoch ohne nähere Begründung, warum deren Befragung für den Schuldspruch wegen Raubes nicht mehr erforderlich gewesen sein soll, auf die Einvernahme verzichtet (E. 1.4.2).
Sie verkennt zudem, dass bei “Aussage gegen Aussage”-Situationen grundsätzlich die unmittelbare Wahrnehmung durch das Gericht erforderlich ist. Andernfalls beruht die Aussagewürdigung auf einer unvollständigen Grundlage, was bei sich widersprechenden Angaben umso stärker ins Gewicht fällt (Urteile 6B_856/2013 vom 3. April 2014 E. 2.2; 6B_718/2013 vom 27. Februar 2014 E. 2.5; je mit Hinweisen; vgl. auch Art. 343 Abs. 3 StPO). Dies gilt vorliegend insbesondere deshalb, weil die Privatklägerin ausschliesslich im Ermittlungsverfahren durch die Polizei befragt wurde. Die Sachverhaltsfeststellung erweist sich demnach als unvollständig (E: 1.4.2).
[Der Beschwerdeführer] hat sein Recht auf Ergänzungsfragen nicht dadurch verwirkt, dass er die Konfrontation erst im Rahmen der Berufung beantragt hat (vgl. Urteil 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.2 mit Hinweisen) [E. 1.4.3].
Dass eine Einvernahme für die Privatklägerin mit gewissen Anstrengungen und Unannehmlichkeiten verbunden ist, rechtfertigt nicht, diese ohne eingehende Untersuchung durch einen kantonalen Bezirksarzt bzw. Psychiater dauerhaft von ihrer gesetzlichen Aussagepflicht zu dispensieren. Angesichts des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verbrechens überwiegt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung jenes der Privatklägerin, möglichst nicht mehr durch das Strafverfahren belästigt zu werden (E. 1.4.3).
Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe sich mehrmals vergeblich bei den algerischen Vertretungen in der Schweiz und durch seine Freundin bei den Behörden in Algerien um gültige Ausweis- und Reisedokumente bemüht, betrifft eine der freien Beweiswürdigung unterliegenden Tatfrage, die das Bundesgericht grundsätzlich nur auf Willkür überprüft. Dies entbindet die Strafbehörden jedoch nicht, von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen abzuklären und den hierbei belastenden und entlastenden Umständen mit gleicher Sorgfalt nachzugehen (Art. 6 StPO) [E. 2.4].
Ob die Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei im Jahre 2011 bei der algerischen Botschaft in Bern und im Dezember 2012 auf dem Konsulat in Genf vorstellig geworden, derart vage sind, dass weder die Beschwerdegegnerin noch die kantonalen Gerichte diese hätten überprüfen können (und müssen), erscheint zumindest mit Hinblick auf den Konsulatsbesuch fragwürdig, kann jedoch offen bleiben. Eine Bestrafung wegen rechtswidrigen Aufenthalts nach Art. 116 Abs. 1 lit. b AuG setzt voraus, dass die Ausreise objektiv möglich ist (Urteile 6B_713/2012 vom 19. April 2013 E. 1.4; 6B_482/2010 vom 7. Oktober 2010E. 3.2.2 und 3.2.3). Die Vorinstanz äussert sich hierzu nicht und zeigt nicht auf, ob es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, die für eine Rückkehr nach Algerien erforderlichen Dokumente erhältlich zu machen. Damit verletzt sie Bundesrecht (E. 2.4).
All das stellt die Vorinstanz in ein eher unvorteilhaftes Licht, was aber wohl unumgänglich war, um den strafprozessualen Regeln Nachachtung zu verschaffen.