Stationäre Massnahme aus organisatorischen Gründen

Aus einem neuen Urteil des Bundesgerichts (BGer 6B_92/2021 vom 30.06.2021) ist zu entnehmen, dass vollzugsbegleitende ambulante Therapien genauso problematisch sind wie ambulante Therapien unter Aufschub des Vollzugs von Freiheitsstrafen. Selbst wenn eine vollzugsbegleitende ambulante Therapie aus forensisch-psychiatrischer Sicht genügen und eine stationäre Massnahme nicht notwendig ist, sieht das Bundesgericht kein Problem mit der Anordnung der (gemäss Gutachten nicht erforderlichen) stationären Therapie. Wahrscheinlich hat das Bundesgericht das Problem mit der Verhältnismässigkeit aber auch gesehen und die Beschwerde mit der Willkürkeule erschlagen:

Die Vorinstanz verkennt nicht, dass der Sachverständige im Gutachten die Anordnung einer ambulanten Behandlung aus forensisch-psychiatrischer Sicht als sinnvoll bzw. zweckmässig und eine stationäre therapeutische Behandlung nicht für zwingend erforderlich erachtet (…). Jedoch zeigt sie zutreffend auf, dass ein Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe zugunsten der ambulanten Behandlung ausser Frage steht, was auch der Beschwerdeführer nicht kritisiert. Demnach geht die Vorinstanz bei ihrer Beurteilung des zu erwartenden therapeutischen Nutzens der ambulanten Behandlung zu Recht davon aus, dass diese (…) vollzugsbegleitend durchgeführt werden müsste. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sie dabei einbezieht, dass der Sachverständige darauf hinweist, das erforderliche überwiegend psychotherapeutisch ausgerichtete Setting sei im Strafvollzug nur erschwert zu organisieren (…) bzw. dieses könne nicht in genügender Weise etabliert werden (…). Die vorinstanzliche Interpretation dieser gutachterlichen Angabe, wonach eine vollzugsbegleitende ambulante Behandlung nicht genüge, ist frei von Willkür (E. 2.4.1.). 

Der Verhältnismässigkeit widmet das Bundesgericht dann aber noch eine eigene Erwägung und kommt zum Schluss, die stationäre Massnahme sei eben doch notwendig:

Schliesslich erachtet die Vorinstanz die stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen zutreffend als verhältnismässig. Sie ist unbestrittenermassen geeignet, die Legalprognose des Beschwerdeführers zu verbessern, und nach dem Vorstehenden gibt es keine gleich geeignete, aber mildere Massnahme, die für den angestrebten Erfolg ausreichen würde, womit sich die stationäre therapeutische Massnahme auch als notwendig erweist. Ein Abwägen der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers und das Anliegen der Öffentlichkeit am Schutz der ungestörten (sexuellen) Entwicklung von Kindern einerseits, mit dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers andererseits führt zum Schluss, dass die stationäre therapeutische Massnahme auch verhältnismässig im engeren Sinne ist (…) [E. 2.5.2, Hervorhebungen durch mich].

Das hat aber nichts mit Verhältnismässigkeit zu tun, sondern mit dem überwiegenden öffentlichen Interesse i.S.v. Art. 36 Abs. 2 BV. Was forensisch-psychiatrisch nicht erforderlich ist, kann auch mit überwiegendem öffentlichen Interesse nicht notwendig gemacht werden. Der Entscheid ist m.E. rechtlich unhaltbar.