Stationäre Massnahme und Erfolgsaussicht

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichts (BGer 6B_1221/2021 vom 17.02.2022) gibt Anlass, wieder einmal auf eine Voraussetzung für die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB hinzuweisen, zu der sich Sachverständige nur ungern äussern:

Die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme setzt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass sich durch eine solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr weiterer mit der psychischen Störung in Zusammenhang stehender Straftaten deutlich verringern bzw. eine tatsächliche Reduktion des Rückfallrisikos erreichen lässt. Eine lediglich vage, bloss theoretische Erfolgsaussicht genügt für die Anordnung einer therapeutischen Massnahme nicht. Nicht erforderlich ist hingegen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass über einen Behandlungszeitraum von fünf Jahren ein Zustand erreicht wird, der es rechtfertigt, dem Betroffenen Gelegenheit für eine Bewährung in Freiheit zu geben (vgl. BGE 134 IV 315 E. 3.4.1; Urteile 6B_237/2019 vom 21. Mai 2019 E. 2.2.1; vgl. 6B_1343/2017 vom 9. April 2018 E. 2.4 f.; je mit Hinweisen) [E. 1.3.1].

Also: Man muss begründen können, dass sich das Rückfallrisiko deutlich verringern wird, wenn man eine kleine Verwahrung (ich weiss, ich weiss) anordnen will. Aber das Rückfallrisiko muss sich nicht so stark reduzieren lassen, dass der Betroffene erwartungsgemäss in die Freiheit entlassen könnte. Die Voraussetzung der Erfolgsaussicht ist deshalb immer begründbar, v.a. wenn keine Anlasstat für eine Verwahrung zur Diskussion steht.