Steueramtshilfe: Gruppenersuchen oder einfach nur fishing?

Die rechtliche Grundlage für die Leistung von Amtshilfe bei Gruppenersuchen muss sich aus dem einschlägigen DBA ergeben. Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht in einem zur Publikation in der AS vorgesehenen Grundsatzentscheid (BGE 2C_276/2016 vom 12.09.2017), mit dem ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – erwartungsgemäss – kassiert wird.

Das Bundesgericht äussert sich u.a. auch zum unerlaubten fishing, das von zulässigen Gruppenersuchen ohne Namensnennung ja nur schwerlich abzugrenzen ist:

Diese Erläuterungen und Beispiele zeigen, dass das Spannungsfeld darin besteht, einerseits soweit als möglich relevante Informationen auszutauschen, andererseits jedoch zu verhindern, dass ein Vertragsstaat Fishing Expeditions des anderen Staates unterstützen oder Informationen liefern muss, deren Relevanz unwahrscheinlich ist (…). Das Ziel, auch bei der Abfrage von Verhaltensmustern Fishing Expeditions zu verhindern, soll erreicht werden, indem der ersuchende Staat im Amtshilfebegehren die Erheblichkeit der ersuchten Informationen und konkrete Ansatzpunkte darlegen muss (…). Er hat somit insbesondere drei Anforderungen zu erfüllen: (i) Er muss eine detaillierte Beschreibung der Gruppe geben, welche die spezifischen Tatsachen und Umstände beschreibt, die zum Ersuchen geführt haben; (ii) er muss das anwendbare (Steuer) Recht erläutern und aufzeigen, weshalb Gründe vorliegen, welche annehmen lassen, die Steuerpflichtigen in der Gruppe hätten ihre Verpflichtungen nicht erfüllt; (iii) er muss aufzeigen, dass die eingeforderten Informationen zur Erfüllung der Verpflichtungen der Steuerpflichtigen der Gruppe führen können (…). Es ist somit ein stärkerer Bezug zu konkreten Umständen herzustellen. Im Vordergrund steht dabei der Nachweis von Tatsachen, die auf ein gesetzeswidriges Verhalten der Gruppenangehörigen hindeuten; Gruppenanfragen zu blossen Veranlagungszwecken ohne Verdachtsmomente werden daher nicht zugelassen (…). Allerdings wird gemäss OECD-Kommentar im Zusammenhang mit der weiten Definition der Gruppenersuchen nur ausnahmsweise eine Fishing Expedition angenommen, da die Voraussetzungen zur Annahme einer solchen hoch sind (…) [E. 6.1.2].

Mit dem letzten Satz fallen ja dann alle Schranken. Das Bundesgericht spricht im konkreten Fall von einem „Grenzfall“, von einem Grenzfall natürlich zugunsten der Steueramtshilfe:

Vorliegend umstritten ist, ob sich das Ersuchen des BD von einer unzulässigen Fishing Expedition abzugrenzen vermag. Der BD verlangt die Personalien und Bankkontonummer (n) inklusive Vermögensstände von Personen, die im Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014 Kontoinhaber bei der UBS Switzerland AG waren, über eine Domiziladresse in den Niederlanden verfügten und keinen genügenden Nachweis über die Steuerkonformität erbracht haben (vgl. im Detail Sachverhalt Bst. A). Da das Ersuchen keine Namen nennt bzw. gerade um solche ersucht, sind die übrigen Umstände umso detaillierter zu beschreiben, damit die Notwendigkeit bzw. die voraussichtliche Erheblichkeit der Informationsübermittlung beurteilt und eine unzulässige Beweisausforschung verhindert werden kann. Dies gilt umso mehr, als das Ersuchen eine grosse Anzahl von Bankkunden betreffen könnte. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt daher hohe Anforderungen an den Detaillierungsgrad der Darstellung des Sachverhalts. Denn nur wenn der Sachverhalt genügend klar dargestellt wurde, kann das zulässige Ersuchen von einer verpönten Beweisausforschung abgegrenzt werden (BGE 139 II 404 E. 7.2.3 S. 426). Das vorliegende Ersuchen erreicht nicht den Detaillierungsgrad, den die beiden Fälle 8.f) und h) aufweisen, welche der Kommentar zum OECD-MA beispielhaft als zulässige Anfragen aufführt (siehe vorstehend E. 6.1.2). In den Beispielen nennt der ersuchende Staat jeweils konkrete Anhaltspunkte, die über blosse Mutmassungen oder Spekulationen hinausgehen, und kann – im Beispiel 8.f) – überdies konkrete Kreditkartennummern bezeichnen. Dagegen würde es gemäss Kommentar zum OECD-MA eine unzulässige Fishing Expedition darstellen, wenn, wie in Beispiel 8.a), von Staat B die Nennung derjenigen im Staat A ansässigen Personen verlangt würde, die ein Konto bei der Bank B im Staat B besitzen. Das hier umstrittene niederländische Ersuchen erweist sich im Vergleich zu diesem, letzten Beispiel immerhin als konkreter, werden doch zusätzliche Identifikationsmerkmale genannt. Zudem beschreibt das Gesuch die spezifischen Tatsachen und Umstände, die zum Ersuchen geführt haben. Es zeigt auf, weshalb Gründe vorliegen, welche annehmen lassen, die Steuerpflichtigen, welche das genannte Verhaltensmuster erfüllten, seien ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen, und es ergibt sich daraus ohne Weiteres, dass die verlangten Informationen zur Erfüllung der Verpflichtungen dieser Steuerpflichtigen führen können (vgl. PAOLO BERNASCONI/SIMONE SCHÜRCH, Fishing expedition et demandes groupées, L’interdiction de la fishing expedition dans la coopération internationale en matière fiscale, in: Mélanges en l’honneur de Claude Rouiller, 2016, S. 13 ff., 30). Insgesamt lässt sich das Ersuchen daher von einer verpönten Beweisausforschung abgrenzen und erscheint damit – wenn auch im Sinne eines Grenzfalls – gerade noch als zulässig (E. 6.3).