Stillschweigender Verzicht auf Teilnahme an der Verhandlung?

In BGer 6B_471/2010 vom 29.07.2010 geht es unter anderem um die Frage, ob der Beschwerdeführer, der wegen eines Aufenthalts in Australien nicht zur obergerichtlichen Hauptverhandlung erschienen war,  in Abwesenheit verurteilt werden durfte (vgl. dazu auch den erst kürzlich ergangenen Entscheid zum Recht auf persönliche Teilnahme). Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, weil der Beschwerdeführer stillschweigend auf die Teilnahme verzichtet habe.

Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, er sei unverschuldet an der Teilnahme der vorinstanzlichen Verhandlung vom 11. August 2009 verhindert gewesen. Er reiste am 20. März 2009 für mehrere Monate nach Australien (…). Wie lange sein Aufenthalt dauerte und ob dieser berufliche Zwecke hatte (…) oder sich der Beschwerdeführer auf Reisen befand (…), kann offenbleiben. Der Beschwerdeführer wurde unbestrittenermassen ordnungsgemäss vorgeladen. Dass es ihm objektiv unmöglich gewesen sein sollte, an der anberaumten Verhandlung persönlich teilzunehmen, legt er nicht dar und ist nicht ersichtlich. Persönliche Umstände, die es ihm subjektiv verunmöglicht oder zumindest unzumutbar gemacht hätten, seine Anwesenheitsrechte wahrzunehmen, zeigt er ebenso wenig substanziiert auf. Der blosse Hinweis auf einen mehrmonatigen Auslandaufenthalt und auf die nicht näher dargelegte berufliche Beschäftigung in Australien reicht diesbezüglich nicht aus. Der Beschwerdeführer führt nicht aus, welche beruflichen Pflichten ihn von der Verhandlung abgehalten hätten. Ebenso wenig erklärt er, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, den Auslandaufenthalt zu verschieben, zu unterbrechen oder abzukürzen. Mithin ist anzunehmen, dass er effektiv die Möglichkeit hatte, an der Appellationsverhandlung teilzunehmen und zureichende Gründe für eine Verschiebung der Tagfahrt nicht bestanden. Der Beschwerdeführer hat deshalb auf sein Teilnahmerecht stillschweigend verzichtet. Die Abwesenheit hat er somit selbst zu vertreten. Zu bedenken ist auch, dass er an der erstinstanzlichen Verhandlung vom 5. März 2009 anwesend und nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz (vorinstanzliche Akten pag. 315 ff.) dreimal befragt worden war. Die Vorinstanz verletzte deshalb weder Bundes- noch Völkerrecht, indem sie die Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchführte (E. 3.3, Hervorhebung durch mich).

Naja, immerhin hatte der Beschwerdeführer um Verschiebung der Verhandlung ersucht, die offenbar erst nach seiner Abreise nach Australien angesetzt wurde. Die Vorinstanz hat das Verschiebungsgesuch aber abgewiesen. In BGer 6B_1080/2009 vom 22.06.2009 sagte das Bundesgericht in Fünferbesetzung und mit Hinweis auf die eigene Rechtsprechung und diejenige des EGMR, der Verzicht auf Teilnahme müsse “unmissverständlich erklärt” werden. Hier soll jetzt schon ein stillschweigender Verzicht reichen?

Auffallend ist übrigens, dass das Verfahren vor Bundesgericht trotz Verzichts auf die Einholung von Vernehmlassungen ausserordentlich lange gedauert hat.