StPO im Strafprozess nicht anwendbar

Das Bauen ohne Baubewilligung ist vielerorts strafbar. Entsprechend hat ein Stadtrat im Kanton Graubünden einen Architketen, dessen Aktiengesllschaft und den Grundeigentümer mit Bussen belegt, die bis vor Bundesgericht erfolglos angefochten wurden (BGer 6B_844/2013 vom 20.02.2014). Strittig war unter anderem das anwendbare Prozessrecht. Dazu das Bundesgericht:

Soweit sich die Beschwerdeführer auf Art. 12 und Art. 17 StPO berufen, verkennen sie, dass die StPO nicht anwendbar ist. Deren Geltungsbereich erstreckt sich auf die Verfolgung und Beurteilung von Straftaten nach Bundesrecht durch die Strafbehörden des Bundes und der Kantone. Dem angefochtenen Urteil liegt hingegen der Bussenentscheid einer kommunalen Übertretungsstrafbehörde zugrunde, der gestützt auf kantonales Recht erging. Gemäss Art. 44 Abs. 2 des Einführungsgesetzes [des Kantons Graubünden] vom 16. Juni 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung (BR 350.100) richtet sich das Verfahren deshalb nach dem Gesetz [des Kantons Graubünden] vom 31. August 2006 über die Verwaltungsrechtspflege (BR 370.100; nachfolgend: VRG). Auf die Rüge der Verletzung von Art. 12 und Art. 17 StPO ist nicht einzutreten. (E. 2.2.1).

Ich hatte geglaubt, das Strafprozessrecht sei 2011 einigermassen vereinheitlicht worden. Dass das falsch ist, hat das Bundesgericht zu Recht erkannt. Die Kantone können für nicht bundesrechtliche Straftaten weiterhin ihr eigenes Prozessrecht kreieren und anwenden. Offenbar können sie sogar ihr eigenes Unternehmensstrafrecht einführen und Aktiengesellschaften strafrechtlich verurteilen.

Dass im Anwendungsbereich von kantonalem oder kommunalem Strafecht der das strafrechtliche Legalitätsprinzip eine Rolle spielen muss, war auch im vorliegenden Fall nicht anders. Das Bundesgericht ist aber bei “nulla poena” bekanntlich grosszügig; so grosszügig, dass die Beschuldigten sogar via umstrittene Auslegungsfragen bestraft werden können. Voraussetzung ist nur, dass die Auslegung nicht willkürlich erfolgt:

Art. 95 Abs. 1 KRG legt fest, dass mit Busse zwischen Fr. 200.– und Fr. 40’000.– bestraft wird, wer gegen das Raumplanungsgesetz des Kantons Graubünden oder darauf beruhende Erlasse und Verfügungen des Kantons oder der Gemeinden verstösst. Nach Art. 86 Abs. 1 KRG dürfen Bauten und Anlagen nur mit schriftlicher Bewilligung der kommunalen Baubehörden errichtet, geändert, abgebrochen oder in ihrem Zweck geändert werden, sofern sie nicht nach Art. 40 der Raumplanungsverordnung [des Kantons Graubünden] vom 24. Mai 2005 (BR 801.110; nachfolgend: KRVO) von der Baubewilligungspflicht ausgenommen sind. Baubewilligungspflichtige Bauvorhaben dürfen begonnen werden, sobald die Baubewilligung schriftlich vorliegt (Art. 91 Abs. 1 KRG).

Bei Bauvorhaben, die dem Meldeverfahren unterstellt sind, können Gesuche und Gesuchsunterlagen in vereinfachter Ausführung eingereicht werden (Art. 51 Abs. 1 KRVO). Gestützt auf diese Bestimmung vertreten die Beschwerdeführer die Meinung, es genüge eine einfache Meldung beabsichtigter Bauarbeiten. Die Vorinstanz hingegen erachtet auch im Meldeverfahren ein formelles Gesuch als erforderlich. Diese vorinstanzliche Auslegung von Art. 50 ff. KRVO (die vom Bundesgericht nur auf Willkür hin geprüft wird, vgl. vorne Ziffer 3.2) ist nachvollziehbar und plausibel. Zum einen stimmt sie mit dem Wortlaut von Art. 51 KRVO überein, der ausdrücklich “Gesuche und Gesuchsunterlagen” sowie “Gesuchstellende” erwähnt. Zum andern wird sie gestützt durch Art. 55 Abs. 2 i.V.m. Art. 54 Abs. 2 des Baugesetzes der Stadt D., wonach die Baubehörde “nach Eingang des formellen Baugesuchs” das festgelegte Verfahren (ordentliches Baubewilligungs- oder Meldeverfahren) durchführt. Damit durfte die Vorinstanz willkürfrei zum Schluss gelangen, dass auch das Meldeverfahren ein formelles Baugesuch voraussetzt.
Dem Meldeverfahren unterstehende Bauvorhaben dürfen ebenfalls erst nach Erteilung der Baubewilligung begonnen werden (vgl. Art. 51 Abs. 4 KRVO i.V.m. Art. 91 Abs. 1 KRG). Unter Umständen kann diese “innert Monatsfrist seit Einreichung des Gesuchs” stillschweigend erfolgen (Art. 51 Abs. 3 KRVO).
Aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmungen ist hinreichend klar geregelt, dass sowohl im ordentlichen Baubewilligungs- als auch im Meldeverfahren ein formelles Baugesuch einzureichen ist und mit Bauarbeiten erst nach Erteilung der Baubewilligung begonnen werden darf. Ebenso gehen die Folgen einer Verletzung dieser Vorschriften eindeutig aus dem Gesetz hervor. Eine willkürliche Anwendung oder Auslegung ist nicht ersichtlich.