Strafandrohung gegen Strafverteidiger

Wenn in Strafprozessen Beweis über die Verletzung von Geheimnissen geführt werden muss, kollidieren die geschützten Geheimhaltungsinteressen der Geheimnisherrin mit dem Akteneinsichtsrecht der beschuldigten Person und der Verteidigung. Das Bundesstrafgericht hat dieses Problem in einem Einzelrichterentscheid (BStGer SK.2013.11 vom 23.08.2013) gelöst, indem es folgende Klausel in ihr Urteilsdispositiv aufnahm :

Den Verteidigern wird unter Androhung auf Art. 292 StGB untersagt, ausserhalb von Verfahren vor Gerichten und Behörden Dritten in Akten der sog. “Geheimnisordner” (Rubriken 8.0.1, 8.0.2, 8.0.3, 8.0.5), die von der Privatklägerschaft verfasst oder unterzeichnet sind, Einsicht zu gewähren oder Auskunft über deren Inhalt zu erteilen.

Das Bundesstrafgericht begründet diese Verfügung wie folgt:

[…]. Indessen sind die sog. Geheimnisordner einzig in Bezug auf die zur Anklage gebrachten Sachverhalte auf deren Geheimnischarakter eingehend geprüft worden. Somit sind allfällige aktuelle Geheimhaltungsinteressen der Privatklägerin aufgrund der Natur der Unterlagen und der zeitlichen Distanz zwar nicht naheliegend, aber auch nicht ausgeschlossen. Dem allfälligen Geheimhaltungsinteresse der Privatklägerin stehen indessen verfassungsmässige Rechte der Beschuldigten gegenüber, wie namentlich das Recht auf angemessene Verteidigung und der Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. das Akteneinsichtsrecht (Art. 32 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 2 BV). Der Anspruch der Parteien, Verfahrensakten im Rahmen von gerichtlichen und behördlichen Verfahren (auch zivilrechtliche) zu verwenden, darf nicht beschnitten werden. Hingegen ist ein schwerwiegenderes Interesse an der Einsichtgabe an unbeteiligte Dritte nicht ersichtlich. Zum Schutze allfälliger Geheimnisschutzinteresse der Privatklägerin ist daher den Verteidigern unter Androhung auf Art. 292 StGB zu untersagen, ausserhalb von Verfahren vor Gerichten und Behörden Dritten in Akten der sog. “Geheimnisordner” (Rubriken 8.0.1, 8.0.2, 8.0.3, 8.0.5), die von der Privatklägerschaft verfasst oder unterzeichnet sind, Einsicht zu gewähren oder Auskunft über deren Inhalt zu erteilen. Eine Aktenvernichtungspflicht ist den Verteidigern nicht aufzuerlegen, da diese einer Akteneinsichtsbeschränkung gleichkommen würde. Auch die beantragte Vernichtung von Gerichtsakten kommt nicht in Frage. Die Akten sind mindestens bis zum Ablauf der Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung aufzubewahren (Art. 103 Abs. 1 StPO). Geheimnisschutzmassnahmen sind durch die geltenden Archivierungsbestimmungen erfasst (Archivierungsgesetz [BGA, SR 152.1] und Reglement über die Archivierung beim Bundesstrafgericht vom 17. Januar 2006 [SR 152.12]) [E. 8.5].

Erging diese Verfügung adhäsionsweise oder woher nahm die Einzelrichterin die Kompetenz? Und wieso richtet sich das Verbot nur gegen die Verteidiger? Sind die Verteidiger denn Parteien? Das Urteil ist rechtskräftig.