Strafaufschub zu Gunsten einer ambulanten Therapie

Das Bundesgericht bestätigt in einem neuen Entscheid seine Rechtsprechung zum Strafaufschub (Art. 63 Abs. 2 StGB; BGer 6B_581/2009 vom 15.12.2009):

3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Strafaufschub anzuordnen, wenn eine tatsächliche Aussicht auf erfolgreiche Behandlung durch den sofortigen Vollzug der ausgefällten Freiheitsstrafe erheblich beeinträchtigt würde. Die Therapie geht vor, falls eine sofortige Behandlung gute Resozialisierungschancen bietet, welche der Strafvollzug klarerweise verhindern oder vermindern würde. Dabei sind einerseits die Auswirkungen des Strafvollzugs, die Erfolgsaussichten der ambulanten Behandlung und die bisherigen Therapiebemühungen zu berücksichtigen, andererseits aber auch das kriminalpolitische Erfordernis, Straftaten schuldangemessen zu ahnden bzw. rechtskräftige Strafen grundsätzlich zu vollziehen. Wo ein Therapieerfolg wahrscheinlich ist, sollte nach der Praxis des Bundesgerichts – tendenziell – zunächst ärztlich behandelt werden. Ein Aufschub rechtfertigt sich aber nur, wenn die ambulante Therapie (ausserhalb des Strafvollzugs) im konkreten Einzelfall aktuelle und günstige Bewährungsaussichten eröffnet, die durch den Strafvollzug zunichte gemacht oder erheblich vermindert würden. Ein Aufschub muss sich folglich aus Gründen der Heilbehandlung hinreichend rechtfertigen (BGE 129 IV 161 E. 4.1 mit Hinweisen).

3.3 Für die Beurteilung der Frage, ob eine ambulante Massnahme unter Aufschub des Strafvollzugs oder vollzugsbegleitend zu erfolgen hat, muss sich der Richter auf ein Gutachten stützen (Art. 56 Abs. 3 lit. c StGB i.V.m. Art. 63 StGB). Diesem Erfordernis genügt eine Expertise nur, wenn sie noch aktuell ist. Das Bundesgericht knüpft dabei nicht an das formale Kriterium eines bestimmten Alters an. Auf ein älteres Gutachten kann abgestellt werden, wenn sich die Verhältnisse seit dessen Erstellung nicht verändert haben (BGE 134 IV 246 E. 4.3; 128 IV 241 E. 3.4)

Im hier beurteilten Fall waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Vorinstanz durfte sich auf Gutachten aus den Jahren 2005 und 2007 (Ergänzungsgutachten) stützen, ohne eine neuerliche Begutachtung anzuordnen, zumal ein Therapiebericht aus dem Jahr 2009 die gutachterlichen Beurteilungen nicht als überholt erscheinen liess.