Strafbar nach Vertrauensprinzip

Ob das Verhalten eines Beschuldigten strafbar ist oder nicht, hängt bisweilen von der Vertragsauslegung ab. In einem heute online gestellten Entscheid (6B_329/2007 vom 11.12.2007) waren sich die Strafrichter der verschiedenen Instanzen darin nicht einig. Das Obergericht des Kantons Zürich korrigierte die Auslegung des Bezirksgerichts, wurde seinerseits aber vom Bundesgericht in die Schranken gewiesen, das die Auffassung des Bezirksgerichts aufgrund des Vertrauensprinzips bestätigte.

In der Sache ging es um die Frage der “anvertrauten Vermögenswerte” im Sinne des Veruntreuungstatbestands (Art. 138 StGB) im Zusammenhang mit – einmal mehr – Reservationsverträgen über Grundstücke. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 133 IV 21 E. 7.2) gilt als anvertraut

was jemand etwa als Zahlungs- oder Inkassogehilfe, als direkter oder indirekter Stellvertreter für einen Dritten empfangen hat. Nicht anvertraut ist, was jemand für sich eingenommen hat (E. 3.2).

Konkret zu beurteilen war die Rechtsnatur von Anzahlungen, welche die künftigen Käufer aufgrund der Reservationsvereinbarungen zu zahlen hatten:

Ob die Anzahlungen der “Käufer” bei der Reservation den Unternehmen des Beschwerdegegners anvertraut waren, hängt davon ab, für wen diese Zahlungen bestimmt waren und aus welchem Grund sie geleistet wurden. Dies beurteilt sich aufgrund der Verträge, die zwischen den “Käufern” und der einen oder andern vom Beschwerdegegner beherrschten Firma als “Verkäuferin” abgeschlossen wurden. Vertragliche Vereinbarungen sind, wenn ein übereinstimmender wirklicher Parteiwille nicht ermittelt werden kann (Art. 18 Abs. 1 OR), aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen, die ihnen vorangegangen und unter denen sie abgegeben worden sind, verstanden werden durften und mussten. Zu berücksichtigen ist insbesondere der vom Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste (…).

Während der Beschwerdegegner mit der Vorinstanz von Mäklerlohn (= “nicht anvertraut”) ausgegangen war, kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die Käufer auch ohne ausdrückliche Vergütungsregelung eine Entschädigung schuldeten, diese aber nicht von ihnen und nicht als Mäklerlohn zu bezahlen sei:

Wohl mussten die “Käufer” davon ausgehen, dass die Unternehmen des Beschwerdegegners für ihre Tätigkeit eine Entschädigung erhielten. Eine solche Entschädigung ist aber bei einer Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nicht Gegenstand der von den “Käufern” mit den Unternehmen des Beschwerdegegners abgeschlossenen Reservationsvereinbarungen, auch dann nicht, wenn davon ausgegangen wird, dass die Entschädigung im Gesamtpreis beziehungsweise im Werklohn enthalten ist und in ihrer Höhe der von den “Käufern” bei der Reservation zu leistenden Anzahlung entspricht. Die “Käufer” konnten und mussten mangels einer entsprechenden Vergütungsregelung in den Reservationsvereinbarungen davon ausgehen, dass die Entschädigung an die Unternehmen des Beschwerdegegners für deren Tätigkeit von den Grundstückverkäufern beziehungsweise von den Generalunternehmern geleistet werde. Dafür spricht auch, dass die Unternehmen des Beschwerdegegners in den Reservationsvereinbarungen einleitend als “Verkaufsbeauftragte” bezeichnet werden (E. 3.4.3).

Ob dies die zivilrechtlichen Abteilungen auch so sehen würden?