Strafbare Beweismittel
In einem arbeitsrechtlichen Verfahren gegen eine Bank als frühere Arbeitgeberin des Klägers, reichte dessen Anwalt ein Dokument “US-Exit Report” als Beweismittel ein. Das Dokument hatte der Kläger und Mandant des Anwalts noch während seiner Anstellung bei der Bank erhalten und es seinem Anwalt übergeben. Dies führte zu einer Strafanzeige gegen den Anwalt, dem vorgeworfen wird, das Dokument unverändert als Beweismittel dem Arbeitsgericht Zürich eingereicht zu haben im Bewusstsein, dass darin dem Bankgeheimnis unterworfene Informationen, insbesondere Kontonummern sowie Namen und Wohnorte von Bankkunden, enthalten gewesen seien. Der Kläger wurde mit Strafbefehl verurteilt. Die erstinstanzliche Verurteilung des Anwalts (Art. 47 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. c BankG) wandelte das Obergericht ZH in einen Freispruch gestützt auf Art. 14 StGB um. Das Bundesgericht kassiert den Freispruch (BGer 6B_247/2019 vom 22.06.2020. Fünferbesetzung), weil die Einreichung des Dokuments sachlich nicht notwendig war.
Beweisthema im Zivilprozess war die Behauptung der ehemaligen Arbeitgeberin bzw. Prozessgegnerin, dass diese zu einem gewissen Zeitpunkt keine problematischen Geschäftsbeziehungen mit US-amerikanischen Kunden mehr unterhalten habe. Nach den Feststellungen der Vorinstanz liess sich der Beweis bereits mit den statistischen Angaben auf den nicht geheimnisgeschützten Seiten 2 und 3 des Dokuments erbringen. Es war also nicht erforderlich, das gesamte instruktionsweise zur Verfügung gestellte Dokument in den Prozess einzuführen. Damit fehlt es bereits an der sachlichen Notwendigkeit. Dass das vollständige Dokument zusätzlich an Beweiskraft gewonnen hat, spielt im Hinblick auf die Notwendigkeit entgegen der Vorinstanz keine Rolle. Zudem räumt der Beschwerdegegner ein, dass er die aufgeführten Namen der Bankkunden geschwärzt hätte, wenn er sie denn auf den Folgeseiten gesehen hätte (Stellungnahme S. 4 f.). Die Vorinstanz glaubt diesen Ausführungen des Beschwerdegegners nicht und wertet sie zunächst als Schutzbehauptung (angefochtenes Urteil S. 5), um schliesslich doch zugunsten des Beschwerdegegners davon auszugehen, er habe die dem Bankgeheimnis unterliegenden Daten “möglicherweise nicht vollständig studiert” (angefochtenes Urteil S. 7). Wie dem auch sei, kann dahingestellt bleiben. Die Unterlassungen des Beschwerdegegners lassen sich nicht mit der konkret gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vereinbaren. So weist die Vorinstanz an anderer Stelle zutreffend darauf hin, dass der Beschwerdegegner verpflichtet gewesen wäre, sich zu vergewissern, dass auf den Folgeseiten nichts steht, was die Beweiskraft des Dokuments wieder schmälern würde (angefochtener Entscheid S. 5). Auch die Art der zu widerlegenden Tatsachenbehauptung drängte eine akkurate Prüfung auf, zumal ausdrücklich aus dem Gesetz hervorgeht, dass ein Bankangestellter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin an das Berufsgeheimnis gebunden ist (Art. 47 Abs. 4 BankG; vgl. dazu KUNZ/ZOLLINGER, Der Schutzbereich von Art. 47 BankG, in: Jusletter 16. April 2018, Rz. 54). Mit dem Vorgehen vereitelte der Beschwerdegegner schliesslich auch, dass das Arbeitsgericht nötigenfalls die für die Geheimhaltung erforderlichen Massnahmen treffen konnte. Indem der Beschwerdegegner keine Vorkehrungen traf und das Dokument weitestgehend ungeprüft und unter Missachtung der zivilprozessualen Vorschriften, wonach der Entscheid über die Edition von dem Bankgeheimnis unterliegenden Daten dem Gericht vorbehalten ist (Art. 160 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 163 Abs. 2 ZPO), einreichte, handelte er nicht “sorgfältig und gewissenhaft” respektive im bestmöglichen Interesse seines Klienten. Die Offenbarung der Kundendaten gegenüber dem Arbeitsgericht war unter diesen Umständen nicht durch die Berufspflicht von Art. 12 lit. a BGFA im Sinne von Art. 14 StGB gerechtfertigt. Die Rüge erweist sich als begründet (E. 2.2, Hervorhebungen durch mich).
Wahrscheinlich war die Strategie (auch) auf fahrlässige Tatbegehung gerichtet, was nun die Ausgangslage spannend macht, denn der Anwalt (Beschwerdegegner) konnte sich ja nicht gegen den Freispruch beschweren. Dazu das Bundesgericht:
Der Beschwerdegegner wendet sich in seiner Stellungnahme mit verschiedenen Argumenten gegen den angefochtenen Entscheid. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet indes einzig die gerügte Verletzung von Art. 14 StGB gestützt auf den von der Vorinstanz festgestellten und durch die Beschwerdeführerin nicht angefochtenen Sachverhalt. Soweit sich der Beschwerdegegner mit seinen Vorbringen einerseits gegen die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung richtet, und andererseits die Verletzung des Bestimmtheitsgebots (Art. 1 StGB) sowie von Art. 47 BankG rügt, ist darauf nicht näher einzugehen. Das gilt auch, wenn er die vorinstanzliche Beweiswürdigung – insbesondere im Zusammenhang mit dem subjektiven Tatbestand – als widersprüchlich und willkürlich darstellt. Die Stellungnahme des Beschwerdegegners kann aufgrund der prozessualen Ausgangslage lediglich im Rahmen der Prüfung der Anträge der Beschwerdeführerin berücksichtigt werden (Urteil 9C_157/2014 vom 24. Juni 2014 E. 1). Die Vorinstanz wird mit der Rückweisung erneut zu prüfen haben, ob dem Beschwerdegegner eine tatbestandsmässige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung vorzuwerfen ist (E. 3, Hervorhebungen durch mich).
Frage: War die Einreichung des Dokuments als Beweismittel an die Staatsanwaltschaft auch strafbar?
Wäre dies nicht ein Anwendungsfall der Wahrung berechtigter Interessen? Das Bundesgericht ist dabei aber sehr zurückhaltend…