Straffreier Handel mit Anabolika
Entgegen der Auffassung der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau kommt auch das Bundesgericht zur Auffassung, dass die Abgabe von Hormonpräparaten (Anabolika) und Potenzmitteln (Erektionsförderer) vorwiegend an Personen aus Bodybuilder-Kreisen nicht per se strafbar sei (Art. 86 Abs. 1 HMG).
Es weist eine Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft ab (BGer 6B_621/2015 vom 14.07.2015), welche letztlich wohl nur am ungenügenden Anklagevorwurf scheiterte:
Die Abgabe von Erektionsförderern kann eine konkrete Gefährdung der Gesundheit von Menschen begründen, soweit das Produkt an Personen abgegeben wird, die einer Risikogruppe (z.B. Personen mit Herz-/Kreislaufproblemen) angehören (siehe BGE 135 IV 37 E. 2.4). Die Anklageschrift wirft dem Beschwerdegegner nicht vor, dass er auch solchen Personen Erektionsförderer abgegeben habe, und die erste Instanz stellt solches nicht fest (E. 1.4.1).
Bezüglich Anabolika:
Anabolika können nicht nur bei bestimmten Risikogruppen, sondern im Prinzip bei jedermann Nebenwirkungen unterschiedlicher Art hervorrufen. Eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen im Sinne des Vergehenstatbestands von Art. 86 Abs. 1 HMG ist indessen nur gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit von Beeinträchtigungen der Gesundheit von einer gewissen Schwere besteht. Diese Voraussetzung ist bei Anabolika nicht ohne Weiteres, sondern nur bei Hinzukommen bestimmter Umstände erfüllt, insbesondere bei Langzeitkonsum. Es mag zutreffen, dass in Bodybuilder-Kreisen Anabolika langfristig konsumiert werden. Der Beschwerdegegner gefährdete aber nicht schon dadurch im Sinne von Art. 86 Abs. 1 HMG die Gesundheit von Menschen, dass er Anabolika auch an Bodybuilder abgab. Erforderlich ist vielmehr, dass er Bodybuilder langfristig mit Anabolika versorgte. Erst dadurch und also nicht schon durch eine einmalige oder gelegentliche Abgabe von Anabolika gefährdete er konkret die Gesundheit der Abnehmer. Die erste Instanz hält fest, es sei erstellt, dass die Abnehmer des Beschwerdegegners aus Bodybuilder-Kreisen stammten, wobei diese Kreise aufgrund der Neigung zum Mischkonsum sowie der Tendenz zu Überdosierung und Langzeiteinnahme zu einer Risikogruppe zu zählen seien (erstinstanzliches Urteil S. 19). Damit stellt die erste Instanz nach der zutreffenden Würdigung der Vorinstanz indessen nicht fest, es sei erwiesen, dass auch die konkreten Abnehmer des Beschwerdegegners, entsprechend den Neigungen und Tendenzen in Bodybuilder-Kreisen, in dieser Art Anabolika konsumierten (E. 1.4.2).
Es ging in diesem Fall nicht um die Frage der Strafbarkeit an sich, sondern um die Frage der Qualifikation einer (konkreten) Gefährdung der Gesundheit von Menschen (vgl. Art. 86 Abs. 1 HMG). Auch ohne eine solche Gefährdung ist der unerlaubte Handel mit Anabolika strafbar, entweder als Übertretung (vgl. Art. 87 Abs. 1 Bst. f HMG), oder – wenn gewersmässig begangen – als Vergehen (Art. 87 Abs. 2 HMG). Dem entsprechend war der Beschuldigte von der Aargauer Justiz auch verurteilt worden.
Die Abgabe von Hormonpräparaten (Anabolika) und Potenzmitteln (Erektionsförderer) ohne Zulassung bzw. Bewilligung im Sinne des Heilmittelgesetzte (HMG) ist in jeden Fall strafbar (vgl. Art. 87 Abs. 1 Bst. f HMG). Vor Bundesgericht ging es lediglich um die Frage, ob diese Abgabe eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellte, was strenger zu bestrafen wäre (vgl. Art. 87 Abs. 1 HMG).