Strafprozessuale Grundsätze im Übertretungsstrafverfahren

Grundsätze wie Anklageprinzip oder Legalitätsprinzip  (nulla poena sine lege) gelten im Übertretungsstrafverfahren gemäss Bundesgericht offenbar nur noch eingeschränkt. Dies schliesse ich aus einem gestern publizierten Entscheid zum kantonalen Jagdrecht (BGer 6B_702/2016 vom 19.01.2017).

Der Entscheid enthält folgende bemerkenswerte Ausführungen zum Anklageprinzip:

Wie die Vorinstanz im Übrigen zu Recht erwägt, gilt das Anklageprinzip im Übertretungsverfahren nur eingeschränkt und es genügt, wenn die beschuldigte Person anhand der Bussenverfügung nicht im Unklaren sein kann, was Gegenstand des Verfahrens bildet (vgl. NIGGLI/HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordung, 2. Aufl. 2014, N. 49 zu Art. 9 StPO) [E. 1.2].

Der Basler Kommentar stützt sich ausschliesslich auf Entscheide, die vor Inkrafttreten der StPO gefällt wurden. Unter dem Regime der Schweizerischen Strafprozessordnung erscheint die Einschränkung als unzutreffend und steht im Übrigen auch nicht im Einklang mit anderen (oublizierten) Entscheiden des Bundesgerichts.

Bei nulla poena erwägt das Bundesgericht:

Der Legalitätsgrundsatz “nulla poena sine lege” ist zwar ausdrücklich in Art. 1 StGB verankert. Im Rahmen des kantonalen (Übertretungs-) Strafrechts gilt er allerdings nicht gestützt auf Art. 1 StGB, sondern fliesst direkt aus dem Verfassungs- bzw. Konventionsrecht (E. 2.2).

Und weil die Verfassung ja nicht so bedeutsam ist, kann man den Grundsatz grosszügig anwenden.