Strafprozessuale Haft für psychisch Kranken

In einem heute online gestellten Urteil (1B.115/2007 vom 12.07.2007) stellt das Bundesgericht zwar eine Verletzung der EMRK fest, weist aber entsprechend seiner Praxis die beantragte Haftentlassung ab.

Dem Beschwerdeführer wird u.a. vorgeworfen, er habe 21. Dezember 2006 den Stabschef der Zuger Polizei angerufen, ihn mit dem Tod bedroht und die Vergewaltigung seiner Ehefrau angedroht haben. Seither sitzt er in Untersuchungshaft (Ausführungsgefahr).

Bereits sein erstes Haftentlassungsgesuch hatte zu einem Bundesgerichtsentscheid geführt, der im Kostenpunkt gutgeheissen wurde (1B_51/2007 vom 24.04.2007). Im neuen Urteil musste das Bundesgericht die Kostenliquidation erneut korrigieren und zudem eine Verletzung des Beschleunigungsgebots (44 Tage vom Gesuch bis zur Zustellung des gerichtlichen Urteils!) feststellen. Die Haftentlassung wies es mit folgender Begründung ab:

Der Beschwerdeführer macht geltend, er leide unter persönlichkeitsstrukturellen Auffälligkeiten“ bzw. unter „kombinierten Persönlichkeitsstörungen mit paranoiden und schizoiden Zügen“. Er sei durch einen Polizeibesuch vor dem Telefonat am 21. Dezember 2006 provoziert worden. „Gestützt auf zwei unabhängige Gutachten“ sei „das Risiko einer fremdgefährlichen Dekompensation aufgrund seiner unabhängig von der aktuellen Haftsituation bestehenden Persönlichkeitsstruktur ausdrücklich verneint“ worden.

Der Beschwerdeführer bestreitet somit, dass Ausführungsgefahr bzw. eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit anderer besteht. Dies stimmt nicht mit der Einschätzung der Gefahrenlage durch die kantonalen Behörden überein. Gemäss dem angefochtenen Urteil wurde für Mai 2007 ein psychiatrisches Gutachten in Aussicht gestellt, wobei sich der Beschwerdeführer jedoch der Begutachtung widersetzt haben soll. Massgeblich für die Einschätzung der Sachlage ist die aktuelle Situation. Derzeit liegt keine aktuelle, objektive Beurteilung der psychischen Gesundheit des Beschwerdeführers durch eine Fachperson vor.

Bei dieser Sachlage und angesichts des Verdachts der schweren Drohungen ist die Einschätzung der kantonalen Behörden, es bestehe die Gefahr der Ausführung eines schweren Verbrechens, nicht verfassungswidrig (E 3.3).

Im Zusammenhang mit der Verhältnismässigkeit (Überhaft) stellte das Bundesgericht fest, dass über den beantragten vorzeitigen Massnahmeantritt vom 8. März 2007 (!) bis heute nicht entschieden wurde, schützte aber den Entscheid der Vorinstanz auch in diesem Punkt:

Das Bundesgericht nimmt Kenntnis davon, dass das angekündigte psychiatrische Gutachten offenbar noch nicht vorliegt und dass sich der Beschwerdeführer offenbar der psychiatrischen Begutachtung widersetzt. Es nimmt Kenntnis von der Mahnung des Obergerichts, „dass der Untersuchungsrichter unverzüglich über den Antrag des Beschwerdeführers vom 8. März 2007 auf Anordnung des vorzeitigen Antritts des Massnahmevollzugs gemäss Art. 58 StGB“ zu befinden hat. Das Obergericht wird darüber wachen, dass die Verfahrenshandlungen beförderlich durchgeführt werden (E. 4.2).

Die „Mahnung des Obergerichts“ zeigt dem Bundesgericht, dass die kantonalen Behörden die Problematik nicht einfach übersehen. Das reicht ja dann auch, um den Rechtsstaat zu garantieren – bisher festgestellte Verfassungsverletzungen hin oder her. Kann ja mal passieren.