Strafrecht als Täterschutz

Dass Strafrecht nicht dem Schutz der Täter diene, hört man in den politischen Diskussionen immer wieder. Was im Erwachsenenstrafrecht nicht ganz falsch ist, müsste m.E. eigentlich auch für das Jugendstrafrecht gelten, jedenfalls dem Grundsatz nach.

Dem ist aber nicht so. Das Bundesgericht erlaubt sogar in “sinngemässer” Anwendung des Gesetzes Schutzmassnahmen gegen den Willen des anwaltlich vertretenen schutzbedürftigen Jugendlichen, der längst erwachsen ist (BGE 6B_115/2015 vom 22.04.2015, Publikation in der AS vorgesehen):

Wegleitend für die Anwendung des Gesetzes müssen stets die Prinzipien des Schutzes und der Erziehung des Jugendlichen sein (Art. 2 Abs. 1 JStG). Vorsorgliche Schutzmassnahmen im Massnahmenvollzug nicht zulassen zu wollen, widerspräche dem Sinn und Zweck des Jugendstrafrechts. Sofern das Verfahren auf Massnahmenänderung nach Art. 18 JStG eingeleitet ist, muss die zuständige Behörde daher in sinngemässer Anwendung von Art. 5 JStG die neue Schutzmassnahme vorsorglich anordnen können, wenn der Jugendliche in seiner bisherigen Umgebung einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt ist oder er selber eine Gefahr für seine Umgebung bzw. die Öffentlichkeit darstellt (so ausdrücklich RIESEN-KUPPER, a.a.O., Rz. 6 zu Art. 18 JStG, s.a. RIEDO, a.a.O., S. 114 N. 747 Fn 134, welcher offenkundig davon ausgeht, vorsorgliche Einweisungen seien auch im Vollzug möglich). Der Umstand, dass der Jugendliche volljährig geworden ist, steht einem Verfahren nach Art. 18 JStG und einer damit allfällig einhergehenden vorsorglichen Unterbringung gemäss Art. 5 i.V.m. Art. 15 JStG nicht entgegen (so schon für das alte Recht BGE 113 IV 17 E. 2; s.a. GÜRBER/HUG/ SCHLÄFLI, a.a.O., Rz. 3 zu Art. 5 sowie Rz. 16 zuArt. 18 JStG; vgl. auch RIEDO, a.a.O., S. 113 N. 745) [E. 3.4].

Damit ist nun geklärt, dass Schutzmassnahmen auch während des Massnahmenvollzugs im Verfahren betreffend Änderung einer Massnahme i.S.v. Art. 18 vorsorglich angeordnet werden können, “sinngemäss gestützt auf Art. 5 JStG”. Ich verstehe zu wenig vom Jugendstrafrecht, um diesen Entscheid einzuordnen. Dem Betroffenen wird es wohl nicht viel anders gehen und sein Anwalt wird womöglich die Welt auch nicht mehr verstehen.