Strafrichter oder Vollzugsrichter?
Selbst Urteile des Kantonsgerichts St. Gallen sind nicht gänzlich frei von Rechtsfehlern. In einem aktuellen Fall muss es nach einer neuerlichen Beschwerde an das Bundesgericht gar ein zweites Mal über die Bücher (BGer 6B_1438/2017 vom 12.10.2018).
Beanstandet wird das Urteil im Zusammenhang mit einer Ersatzforderung. Gemäss Kantonsgericht sollten die beschlagnahmten Bankguthaben zur Deckung der Ersatzforderung und der Verfahrenskosten verwendet werden. Das ist gemäss Bundesgericht wegen Missachtung des SchKG nicht zulässig:
Die Beschwerde erweist sich aber insofern als begründet, als die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid nicht nur die Ersatzforderung festlegt, sondern unter Umgehung des Verfahrens nach SchKG zugleich auch deren Vollzug bereits im vorliegenden Strafverfahren anordnet. Die Vorinstanz verkennt, dass der Gesetzgeber für Ersatzforderungen zu Gunsten des Staates den Weg der ordentlichen Zwangsvollstreckung vorgeschrieben und darüber hinaus deutlich gemacht hat, dass dabei kein Vorzugsrecht des Staates begründet wird (vgl. Art. 71 Abs. 3 Satz 2 StGB), es sich mithin um eine Forderung Dritter Klasse nach Art. 219 Abs. 4 SchKG handelt (BGE 141 IV 360 E. 3.2 S. 365 mit Hinweisen; altrechtlich siehe auch BGE 126 I 97 E. 3.d/dd S. 110; vgl. Urteile 1B_132/2017 vom 3. Oktober 2017 E. 3.3; 1B_109/2016 vom 12. Oktober 2016 E. 4.5; 1B_711/2012 vom 14. März 2013 E. 4.1.2) [E. 3.3].
Einfacher gesagt als getan. Da das Bundesgericht überhaupt nicht sagt, wie dieser Wechsel vom Straf- ins Vollstreckungsverfahren vonstatten gehen soll (wird die strafprozessuale Beschlagnahme über den Entscheid hinaus aufrechterhalten? Muss der Staat – wer? das Gericht, die Staatsanwaltschaft? – darüber Arrest legen?), sagt mir mein Gefühl, dass sich das BGer in irgendeiner Form (Straf- oder Zivilbeschwerde) wieder mit diesem Fall beschäftigen müssen wird.
6B_694/2009 vom 22.04.2010, E. 1.4.2.: Die Beschlagnahme nach Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 aStGB [71 Abs. 3 StGB] als Sicherungsinstrument zur späteren Durchsetzung der Ersatzforderung stellt eine vorsorgliche Massnahme dar, die sich ihrer Natur und Tragweite nach von der herkömmlichen strafprozessualen Beschlagnahme unterscheidet, indem ihre Wirkung über die Rechtskraft des Urteils hinaus bis zu dem Zeitpunkt andauert, in welchem sie durch eine Massnahme nach dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht abgelöst wird. Dem blossen Sicherungszweck entsprechend werden daher die fraglichen Vermögenswerte mit dem Strafurteil nicht eingezogen. Vielmehr bleibt die Beschlagnahme bis zur Einleitung der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung der Ersatzforderung bestehen (vgl. Schmid [Hrsg.], a.a.O., N. 170 ff.).“
Wie lange über die Rechtskraft hinaus die Beschlagnahme aufrechterhalten bleiben darf, wie genau das Dispositiv formuliert werden muss und wie eine Doppelzahlung des Verurteilten verhindert wird, wenn die Privatklägerschaft und der Staat gleichzeitig ihre Forderung (aus Art. 41 OR bzw. Art. 71 StGB) in Betreibung setzen, ist gesetzlich nicht geregelt (evtl. im SchKG?) und könnte in der Tat noch zu weiteren Urteilen in der Sache führen…