Strafverfolgungspflicht auch ohne Tatverdacht

Das Bundesstrafgericht verpflichtet die Bundesanwaltschaft, ein Untersuchungsverfahren gegen die Volkswagen AG, die AMAG Automobil- und Motoren AG und die verantwortlichen Organe bzw. die Angestellten der AMAG Automobil- und Motoren AG betreffend Betrug und allfällige weitere Delikte zu eröffnen (BStGer BB.2016.192 vom 30.11.2016).

Der Entscheid enthält mehrere Erwägungen, die diskussionswürdig sind. Die nachfolgende gehört m.E. eher nicht dazu:

Die Beschwerdegegnerin ist in keiner Weise der Frage nachgegangen, ob die Organe oder Angestellte der AMAG Fahrzeuge in Kenntnis der manipulierten Software und unter Verschweigung dieses Mangels an unwissende Kunden verkauft haben. Dabei scheint es als nicht von vornherein gänzlich ausgeschlossen, dass Organe oder eventuell auch nur einzelne Angestellte der AMAG, letztere als jahrzehntelange Vertragspartnerin der Volkswagen AG und deren wichtigste Fahrzeugabnehmerin in der Schweiz (vgl. dazu http://www.amag.ch/amagch/corp/de/dieamag/die-amag-gruppe11.html), von ihrer deutschen Vertragspartnerin über die manipulierte Abschalteinrichtung in Kenntnis gesetzt worden sind, bevor dies im September 2015 in den Medien publik wurde, und die AMAG diesen Umstand direkt oder über ihre (unwissenden) Vertragshändler (als sog. Tatmittler) den Automobilkäufern verschwiegen hat. Zur Klärung eben dieser Frage hätte die Beschwerdegegnerin entsprechende Ermittlungen tätigen müssen. Jedenfalls lässt sich die Beurteilung der Beschwerdegegnerin, wonach eindeutig keine Hinweise für ein strafbares Verhalten der AMAG bzw. deren Organe vorliegen, im jetzigen Zeitpunkt nicht aufrechterhalten. Ob allenfalls der Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 UWG verwirklicht wurde, wird sich im Laufe des Verfahrens durch die Aufnahme und Weiterführung der Ermittlungen ergeben (E. 3.3.4, Hervorhebungen durch mich).

Semper pro duriore! Und damit haben wir jetzt auch endlich unseren Abgasskandal.