Strafverteidiger – Trottel der Nation
Welcher Stellenwert der Strafverteidigung im schweizerischen Strafprozessrecht zugestanden wird, lässt sich immer wieder an den Honorarkürzungendurch die Gerichte ablesen. Was das Bundesgericht einem Verteidiger vorhält, der gegen die Kürzung um ungefähr die Hälfte des geltend gemachten Honorars Beschwerde führte, wird er nur als blanken Hohn verstehen können (BGer 6B_255/2009 vom 21.07.2009). Zu beachten ist immerhin, dass die bundesgerichtliche Willkürkognition den kantonalen Vorinstanzen erst ermöglicht, auf Kosten der unliebsamen Strafverteidiger zu sparen. Hier ein paar Auszüge aus dem Entscheid:
So belegt der Beschwerdeführer nicht, inwiefern die konkreten Zeitangaben im Einvernahmeprotokoll nicht der effektiven Dauer der Verhandlung entsprechen, dass das Durchlesen des Protokolls durch den Angeschuldigten tatsächlich eine halbe Stunde in Anspruch genommen hat, dass und wie lange eine kurze Nachbesprechung mit dem Klienten und/oder dem Untersuchungsrichter wirklich stattgefunden hat, und aus welchen Gründen die Fahrten von Zürich nach Hochdorf und zurück länger als normal gedauert haben (E. 2).
Als vollumfänglich ausgewiesen bezeichnet der Beschwerdeführer einen Aufwand für eine zum grössten Teil verfasste Beschwerde, die jedoch nach Weisung seines Klienten nicht verschickt worden sei. Auch diese Rüge ist zu wenig detailliert, um darauf eintreten zu können. So fehlen z.B. Ausführungen über deren Notwendigkeit. (E. 4).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer des Arabischen mächtig ist, und so allenfalls Kosten für die Übersetzung eingespart werden konnten. Es ist sinnvoll und im Sinne der Prozessökonomie, dass Anwälte mit besonderen Befähigungen in einem Verfahren eingesetzt werden, in welchem diese vonnöten sind. Soweit daraus aber für den amtlichen Anwalt kein zusätzlicher Aufwand entsteht, steht ihm auch keine weitergehende Entschädigung zu (E. 5).
Der Umstand allein, dass der Beschwerdeführer den Vorwurf der Kindsentführung bis ans Bundesgericht weiterzog, bedeutet nicht zwingend, dass dabei heikle juristische Fragen zu beantworten gewesen wären. Er legt denn auch nicht dar, welche schwierigen rechtlichen Fragen er habe abklären müssen. Ebensowenig zeigt er auf, auf welche Rechtsfragen ägyptisches Recht anwendbar gewesen wäre. Auf diese Rügen ist mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten (E. 6).
Beim Thema Honorarkürzung bin ich natürlich befangen. Ich hätte aber gerne einmal eine befriedigende Antwort auf folgende Fragen:
- wie kann man von einem fairen Verfahren und von Waffengleichheit sprechen, wenn von allen Verfahrensbeteiligten allein der Verteidiger seinen Aufwand detailliert ausweisen und insbesondere rechtfertigen muss?
- wie kann man von Waffengleichheit sprechen, wenn ganze Heerscharen von Strafverfolgern schier unbegrenzte Ressourcen einsetzen können, während der Einzelkämpfer Strafverteidiger mit der drohenden Honorarkürzung im Endeffekt zur Nichterfüllung seiner Sorgfaltspflichten motiviert wird?
- was rechtfertigt, dass amtliche Verteidiger mit einem reduzierten Stundenansatz entschädigt werden? Werden Polizisten, Staatsanwälte, Gutachter und Richter bei amtlichen Verteidigungen auch reduziert entschädigt?
- welcher (redliche) Richter ist in der Lage, die Notwendigkeit bestimmter Aufwendungen im massgeblichen Zeitpunkt zu beurteilen?
- welcher Idiot (ausser mir) übernimmt amtliche Verteidigungen, bloss weil er dazu gesetzlich verpflichtet ist?
Meines Erachtens liegt der Hund dieses BGE anderswo begraben:
1. Sowohl der Verteidiger als auch der Angeklagte sprechen Arabisch (siehe E.5). Daraus folgt per se eine Sonderbehandlung durch die Bundesrichter.
2. Die Bundesrichter – und die kantonalen auch – kürzen die amtlichen Honorare erfahrungsgemäss dann, wenn der Strafverteidiger die Unverschämtheit besitzen sollte, seinen Mandanten wirksam zu verteidigen und allenfalls auch behördliche Versäumnisse zu rügen. Das ist eine beliebte verdeckte Disziplinarmassnahme.