Strafverteidiger zu Recht diszipliniert?
Das Bundesgericht bestätigt einen disziplinarischen Verweis gegen einen Anwalt (BGer 2C_737/2008 vom 08.04.2009). Das Bundesgericht ging von folgendem Sachverhalt aus:
Die Vorinstanz hat festgestellt, der Beschwerdeführer habe sich gegenüber dem von ihm vertretenen Z. während dessen Untersuchungshaft – nachdem er von diesem darüber informiert worden war, dass er bereits alles gestanden habe – beim ersten und einzigen Gespräch im Untersuchungsgefängnis sehr ungehalten und abwertend über die Polizei geäussert. Insbesondere habe er seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sein Klient bei den Einvernahmen noch nichts gesagt habe. Das mit der (in Aussicht gestellten Entlassung gegen) Kaution könne er sich „abschminken“. Er solle dem Kommissar nicht glauben; er bzw. die Staatsanwaltschaft „verarsche“ ihn nur und verspreche ihm alles, nur um ihn zu einer Aussage zu bewegen. Diese Äusserungen hätten sich klar darauf bezogen, dass der Beschwerdeführer das bereits abgelegte Geständnis seines Klienten als ungünstig gewertet und die Hoffnung auf eine baldige Entlassung aus der Haft gegen Kaution als unrealistisch eingeschätzt habe; die diesbezüglichen Versprechungen der Staatsanwaltschaft könnten nicht zum Nennwert genommen werden (E. 2.3).
Der Sachverhalt beruhte offenbar einzig auf einer im Ausland gemachten Zeugenaussage des Klienten. Das reichte sowohl der Aufsichtsbehörde als auch dem Bundesgericht:
2.4 […] Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, erschöpft sich in einer eigenen Interpretation, die jeder Grundlage in den Akten entbehrt und die Feststellungen der Vorinstanz in keiner Weise als offensichtlich unrichtig erscheinen lässt. Es ist daher vom festgestellten Sachverhalt auszugehen.
2.5 Auf Grund der insoweit völlig klaren Aussagen des Klienten, wonach das Wort „verarschen“ hinsichtlich des Ablegens eines Geständnisses und der Möglichkeit, anschliessend gegen Kaution auf freien Fuss zu kommen, gefallen ist (Einvernahmeprotokoll S. 5), durfte die Vorinstanz in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung auf die vom Beschwerdeführer beantragte nochmalige Befragung des Klienten verzichten, ohne den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) bzw. § 18 VRPG/BS (Antragsrecht für dienlich erscheinende Beweise) zu verletzen.
Frei nach folgendem Motto? Wenn Du den Behörden Verarschung vorwirfst, darfst Du Dich nicht wundern, wenn Du Dir jetzt vielleicht auch ein bisschen verarscht vorkommst.
In der Sache kommt das Bundesgericht zu folgendem ungeheuerlichen Schluss:
Ein standeswidriges Verhalten ist hingegen mit der Vorinstanz darin zu erblicken, dass der Beschwerdeführer im ersten und einzigen kurzen Gespräch mit seinem inhaftierten Klienten diesem das bereits erfolgte Ablegen eines Geständnisses vorgeworfen bzw. von einem solchen abgeraten hat. Ein solches Vorgehen liegt in keinem Fall im Interesse des Klienten, der darauf vertrauen darf, dass ihm der Anwalt allfällige Verhaltensregeln nur unter Berücksichtigung aller Umstände und insbesondere erst nach Kenntnisnahme der massgebenden Akten erteilt. Vorher ist der Anwalt gar nicht in der Lage abzuschätzen, welche Vorkehren tatsächlich im Interesse des Klienten, welches er stets zu wahren hat, liegen. Es liegt darin auch ein Verstoss gegen die Treuepflicht, die dem Anwalt gebietet, den Klienten nach bestem Wissen zu beraten und alles zu unterlassen, was den Interessen des Klienten schaden könnte (WALTER FELLMANN, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, Hrsg. Walter Fellmann/Gaudenz G. Zindel, 2005, N 5 f. zu Art. 12 BGFA) (E. 3.6).
Richtig ist, dass es erst nach Kenntnisnahme der massgebenden Akten möglich ist, eine Verteidigungsstrategie zu empfehlen. Die Strategie kann selbstverständlich das Ablegen eines Geständnisses enthalten. Aber ein Geständnis abzulegen, bevor eine Strategie vereinbart ist, ist aus Sicht einer effizienten Verteidigung mit Sicherheit falsch, da sie mögliche Optionen zerstört, bevor sie geprüft werden konnten. Der Anwalt hat meines Erachtens zumindest in diesem Punkt nichts falsch gemacht.
Ich persönlich neige eher zu folgender These: Berufswidrig verhält sich der Verteidiger, der seinem Klienten empfiehlt, überhaupt eine Aussage zu machen, bevor die massgeblichen Akten bekannt sind.