Strafverteidigung per Internet
In einem Fall, der zur Zeit vor dem Geschworenengericht Zürich verhandelt wird (s. den heutigen Beitrag der NZZ) geht ein Strafverteidiger neue Wege, die etwa in Deutschland oder den USA schon länger praktiziert werden: Publikation von Material in laufenden Verfahren im Internet.
Die Darstellung des Verteidigers ist eine Art rollendes Plädoyer, das offenbar Zweifel am Beweisergebnis wecken will:
Anlässlich des heutigen Prozesstages wurden zwei Zeugen zum äusseren Ablauf des Tatgeschehens befragt. Es zeigte sich, dass die Aussagen beider Zeugen zum Tatablauf teilweise im augenfälligen Widerspruch zu deren eigenen, im Verlauf des Untersuchungsverfahrens gemachten Aussagen und/oder zu den übrigen Untersuchungsergebnissen standen. Ähnliche Widersprüche ergaben sich auch aus den Aussagen von Raffaele Pepe anlässlich des gestrigen, ersten Verhandlungstages. Und: Wie gestern, konnten auch heute nicht alle Widersprüche ausgeräumt werden.
Cui bono?
Sie fragen, wem nützt die Prozeßberichterstattung. Ich denke, es geht um die Verwirklichung des Grundsatzes der Öffentlichkeit.
Solange der Angeklagte damit einverstanden ist und der Verteidiger sorgsam mit diesem Instrument umgeht, verschafft diese Art von fortlaufendem Bericht dem Prozeß eine gesunde Transparenz.
Wenn ich mir Verfahren anschaue, in denen Journalisten mit Block und Bleistift im Saal sitzen und Bruchstücke, die der Presse wichtig erscheinen (vulgo: Die Auflage der Zeitung fördern), später zusammen fassen, ist eine detaillierte Berichterstattung durch einen Verfahrensbeteiligten sicherlich die bessere Wahl.
Dieser Weg ist übrigens auch dann immer der richtige, wenn die Strafverfolgungsbehörden durch ihre Pressemitteilungen öffentliche Stimmung für die Anklage machen.
Prozeßberichterstattung per Weblog/Internet ist gefährlich. Aber das sind Messer zum Brotschneiden auch. Es kommt darauf an, was man daraus macht.