Strafzumessung bei Seriendelikten, Ausnahme von der konkreten Methode

Das Obergericht des Kantons Aargau hat entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft kein Bundesrecht (BGer 6B_157/2014 vom 26.01.2015, Fünferbesetzung) verletzt, als es bei der Strafzumessung wie folgt vorgegangen ist:

Die Vorinstanz setzt für den Einzelfall mit dem höchsten Schadensbetrag als schwerwiegendster Tathandlung im Rahmen der ungetreuen Geschäftsbesorgung als Einsatzstrafe eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen fest und schärft die Strafe für die restlichen Tathandlungen auf eine (Zusatz-) Geldstrafe von 320 Tagessätzen.

Auf den ersten Blick hätte ich mit der Staatsanwaltschaft auch angenommen, dass dies bundesrechtswidrig ist. Das Bundesgericht hingegen schützt das Obergericht des Kantons Aargau:

Wohl hat das Bundesgericht in einem jüngeren Urteil erkannt, wenn nicht ein deutlich schwereres Delikt zusammen mit einer oder wenigen weiteren, leichter wiegenden Nebentat (en) zu sanktionieren sei, sei es bei der Bildung der Gesamtstrafe ausnahmsweise angebracht, die Delikte und die kriminelle Energie in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, so dass nicht für jeden Normverstoss einzeln eine (hypothetische) Strafe zu ermitteln sei. Insofern hat es eine Ausnahme von der konkreten Methode zugelassen (Urteil des Bundesgerichts 6B_499/2013 vom 22. Oktober 2013 E. 1.8). Desgleichen hat das Bundesgericht nicht beanstandet, dass die Vorinstanz in einem umfangreichen Fall betrügerischer Anlagegeschäfte, in welchem sich die einzelnen Tatkomplexe nicht wesentlich voneinander unterschieden, von der gedanklichen Festsetzung einer Einsatzstrafe für die schwerste Tat absah, zumal diese nicht ohne Weiteres zu bestimmen war (Urteil des Bundesgerichts 6B_ 446/2011 vom 27. Juli 2012 E. 9.4; vgl. auch etwa Urteil 6B_521/2012 vom 7. Mai 2013 E. 6 [Betrachtung von über 100 betrügerischer Geldaufnahmen als Einheit]). Doch bedeutet der Umstand, dass das Bundesgericht dieses Prozedere in den genannten Entscheiden geschützt hat, umgekehrt nicht, dass das Sachgericht zu einer derartigen Vorgehensweise bundesrechtlich verpflichtet wäre (E. 3.1).

Seine Rechtsprechung zur Zumessungstechnik fasst das Bundesgericht wie folgt zusammen:

Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB zu der Strafe der schwersten Straftat (Einsatzstrafe) und erhöht sie in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen (Gesamtstrafe). Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.

Für die Bildung einer Gesamtstrafe hat das Gericht in einem ersten Schritt den Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für diese Tat, unter Einbezug aller straferhöhenden und strafmindernden Umstände, innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Bei der Bestimmung des Strafrahmens für die schwerste Straftat ist von der abstrakten Strafandrohung auszugehen (BGE 116 IV 300 E. 2c/bb S. 304; Urteil des Bundesgerichts 6B_681/2013 vom 26. Mai 2014 E. 1.3.1; …). In einem zweiten Schritt hat das Gericht diese Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straftaten zu einer Gesamtstrafe zu erhöhen, wobei es wiederum den jeweiligen Umständen Rechnung zu tragen hat (BGE 127 IV 101 E. 2b S. 104 mit Hinweis; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4 mit Hinweis, nicht publ. in: BGE 137 IV 57).
Die Bildung einer Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB ist indes nur bei gleichartigen Strafen möglich. Ungleichartige Strafen sind kumulativ zu verhängen, da das Asperationsprinzip nur greift, wenn mehrere gleichartige Strafen ausgesprochen werden (BGE 137 IV 57 E. 4.3.1). Geld- und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 137 IV 57 E. 4.3.1). Das Gericht kann somit auf eine Gesamtfreiheitsstrafe nur erkennen, wenn es im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss eine Freiheitsstrafe ausfällen würde (konkrete Methode; BGE 138 IV 120 E. 5.1; 137 IV 249 E. 3.4.2). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen vorsehen, genügt nicht (BGE 138 IV 120 E. 5.2) [E. 2.2].